Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

1. Das Zeitalter der franzöſiſchen Revolution. 3

land hielt. Doch zu den vielen herben Enttäuſchungen, die in den lezten Lebensjahren auf Joſef TI. einſtürmten, gehörte auch die Bedrohung der Vündniſſe durch die ſranzöſiſche Revolution. Warnend hatte der Kaiſer ſeiner Schweſter, der Gemahlin Ludwigs XVI, ſhon geraume Zeit vor dem Sturm auſ die Baſtille den Eintritt plöglicher Umwälzungen vorhergeſagt; das gewaltige Ereignis trat für ihn alſo niht überraſchend, doh immerhin unerwartet ein. Der Umſturz war nun da und es erhob ſich die bange Sorge, welche Folgeerſcheinungen er für die Beziehungen Frankreichs zu Öſterreich haben werde. Jn Berlin wurde der Beginn der Revolution dem Könige mit den ſchadenſrohen Worten: „Die Allianz zwiſchen Öſterreich und Frankreich iſt vernichtet, Öſterreich kann nicht mehr auf Frankreich zählen““ gemeldet.

Im Februar 1790 ſtarb Joſef IL, der das Glück ſeines Reiches und ſeiner Völker edelmütig. erſtrebte, als tiefunglülicher Mann. Sein Bruder Leopold ITI., den er ſo ſehnſüchtig nah Wien herbeigerufen hatte, beſtieg unter den ungünſtigſten Verhältniſſen den Thron. Öſterreich lag mit der Türkei im Streite und Preußen griff ſchon na< dem Schwerte, um es aus der Scheide zu reißen. Von außen bedroht, im Jnnern aufgewühlt, war Öſterreich ſeiner Auflöſung nahe. Für lange Überlegungen fehlte die Zeit, raſche Entſchlüſſe wurden zur Notwendigkeit und Leopold erwies ſich als geſchi>ter Diplomat. Mit ſeinem ruheloſen Bruder hatte er die erhabenen Vorſtellungen von der Bedeutung der Herrſcherpflichten gemein; aber wie dieſer ſeine Untertanen als abſolutiſtiſher Monar<h zu Wohlſtand und Zufriedenheit bringen wollte, ſo war Leopold als gelehriger Schüler Montesquieus und Rouſſeaus ein Schäger konſtitutioneller Einrichtungen. Allerdings nur in ſeinen theoretiſchen Bekenntniſſen, denn die Tage ſchienen noch niht gekommen, in denen Öſterreich den Verſuch wagen durfte, in die Reihe der Verfaſſungsſtaaten zu treten. Wohl beſaß Ungarn bereits einen altersgrauen Parlamentarismus, der jedoch nichts anderes beinhaltete als das Mitbeſtimmungsrecht des Adels, der Großen. Um den Staat vor den ſchwerſten Erſchütterungen zu bewahren, ſchlug der neue Herrſcher einen Pfad ein, der ihn dem politiſchen Syſteme des Fürſten Kaunitz untreu werden ließ. Er riche tete in ſeiner Herzensnot an Friedrih WilhelmTI. ein perſönliches Schreiben, um einen friedlichen Ausgleich der ſtörenden Differenzen anzubahnen, und in kurzer Zeit folgten weitere Briefe. Fn der Tat fam es zu einer Zuſammenkunft von öſterreichiſchen, preußiſchen und anderen Staatsmännern, die zu Reichenbach in Schleſien ſtattfand

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