Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Unterhandlungen in Hagenau. 2345

der Dinge, von keiner Unterwerfung hören. Dieſe Geſinnung der Armee war es, welche der Ungeduld der Anhänger Ludwig XVIII. in Paris Zügel anlegte.

Die proviſoriſche Regierung beſchloß, de la Fayette, Sebaſtiani und einen Napoleon'ſen Diplomaten, Laforêt*®), nah dem Hauptquartier der verbündeten Monarchen das ſich damals in Hagenau befand, abzuſenden, um Unterhandlungen über die Frankreich betreffenden Verhält= niſſe anzuknüpfen. Die Bonapartiſten und Republikaner wollten ſi lieber in alles Andere, als die Wiedereinſeßung der älteren Linie der Bourbonen, finden. War die Anerkennung Napoleon II. nict zu erlangen, ſo ſollten die Bevollmächtigten den Herzog von Orleans, oder ſelbſt einen Fremden, wie den Prinzen von Oranien, für den franzöſi= ſchen Thron vorſchlagen. Dieſe Abgeſandten wurden von den Monarchen ſelbſt niht empfangen, und ihre Berathungen mit deren Miniſtern führten zu keinem Ziel. Es iſt auffallend, daß de la Fayette, der ſo viel zu Napoleon's zweitem Sturz beigetragen , und der das Jahr vorher, wie er ſelbſt in ſeinen hinterlaſſenen Denkwürdigkeiten erzählt, die Rückkehr Ludwig XVIII. mit Zufriedenheit betrachtet hatte, jet für den Sohn ſeines großen Feindes unterhandeln wollte, und daß ihn das ſonſt in allen Parteien des franzöſiſchen Volkes ſo lebendige Nationalgefühl niht von dem Gedanken an die Erhebung eines Fremden auf den Throu Frank-= reis abhielt. Aber de la Fayette war, ſeitdem er dur< die Wahl in die Repräſentantenkammer wieder in das politiſche Leben gekommen, ein ent= ſchiedener Gegner des älteren Zweiges der Bourbonen geworden.

Ludwig XVII]. hatte ſi ſhon in Gent, in Gemäßheit der ihm von allen Seiten her gemachten Vorſtellungen , endlich zur Entfernung ſeines vertrauteſten Günſtlings, des Grafen Blacas, entſchloſſen, dem ſelbſt die Royaliſten und no< mehr die fremden Diplomaten die meiſten der von der Reſtauration begangenen Fehlgriffe {uld gaben. Ex überſchritt hierauf die franzöſiſhe Gränze, und erließ von Cateau-Cambreſis aus eine Proklamation an das franzöſiſche Volk, in welcher zwar die Wiederherſtellung der Verfaſſung vom 4. Juni 1814 erwähnt, ſonſt aber ein mehr drohender als verſöhnender Ton angenommen war. Zn Cambrai, wo die Garniſon ſi vergebens dem Einzuge des Königs widerſeßen wollte, dem vom Volke ſelbſt die Thore geöffnet wurden, fand derſelbe einige ſeiner freiſinnigſten Räthe, wie Chateaubriand, vor, und wurde dort zu einer

*) Er war 1806 Geſandter in Berlin, 1808 in Madrid geweſen, und hatt? 1813 in Valençay mit Ferdinand VII. unterhandelt.