Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871
356 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.
Ludwig XVIII. hatte ſeinen Gefühlen Zwang angethan und Fou<é's Gegenwart im Miniſterium ertragen, ſo lange er ſich in der wieder errungenen Herrſchaft no< niht vollkommen befeſtigt ſah. Aber nach ver Auflöſung der Loirearmee, bei den wohlwollenden Beziehungen zu ven verbündeten Monarchen, und der fich auf allen Punkten des Landes kund gebenden Begeiſterung für die Reſtauration, fing der Herzog von Otranto entbehrli< zu werden an. Vergebens ſuchte dieſer nah wie vor eine doppelte Rolle zu ſpielen, ſich zu einem Werkzeuge der Legitimität zu machen, und zugleich mit den Konſtitutionellen und Republikgnern verbunden zu bleiben. Er fuhr fort, in ſeinen Berichten als Poli= zeiminiſter von der kaum zu zügelnden Gewalt einer inneren Gährung, die jeden Augenbli> zum Ausbruch kommen könne, von der Möglichkeit einer neuen Revolution zu ſprechen, um den König und den Hof zu ſcre>en und in ihren Augen als unentbehrlich zu erſcheinen. Die Anweſenheit von einigen hundert tauſend Mann fremder Truppen brach ſolz chen Beſorgniſſen die Spiße ab. Sie wurden, als eingebildet oder ab: ſichtlich erfunden, erſt mit Mißtrauen, dann mit Unwillen aufgenommen. Das Zweideutige in Fouché's Geſinnung und Stellung ward immer mehr durchſchaut. Er hatte etwas Unmögliches unternommen, indem er ſeine Vergangenheit als Jakobiner und Richter Ludwig XVT. der eigenen Familie dieſes Königs und den Royaliſten vergeſſen machen wollte. Es konnte dies wohl, wie vieles in der Welt, einen Augenbli> lang gelingen, aber niht von Dauer ſein. Als man hoffen durfte, ohne Fouché zu beſtehen, trat auch das frühere Urtheil über ihn wieder hervor. Sein Sturz ward beſchloſſen. Es handelte ſich dabei nur no< um die Wahl des re<ten Moments. Dieſer ſollte nicht lange ausbleiben. Anh Talleyrand, der von dem erſten Einrücken der Verbündeten in Paris an ununterbrochen eine große Rolle geſpielt hatte, ſollte bald in den Hintergrund treten. Der König und ſeine Familie hatten ihm, ungeachtet der großen Dienſte, die er bei der erſten Reſtauration geleiſtet, do< nie vollkommenes Vertrauen ſchenken können. Er war zu tief in die Revolution und das Kaiſerreich verwicelt geweſen, und ſchien, obz glei er mit beiden äußerlih gebrochen hatte, ihnen innerlich immer ver= wandt geblieben zu ſein. So lange Talleyrand am wiener Kongreß in der Fecne gewirkt, war der Widerſpruch zwiſchen ſeinem und der Bour= bonen Weſen, Meinungen und Erinnerungen nicht hervorgetreten. Auch hatte Ludwig XVIII. damals wenig Gelegenheit gehabt, die Perſönlichz keit und Geſchäftsführung des ehemaligen BViſchofes von Autun zu beobachten. Als dieſer aber. an der Spiße eines Miniſteriums ſtehend, mit