Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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Die Funktion eines Pariſer Maires war ſo machtlos geworden, ſeine Stellung ſo kritiſch, daß verſchiedene Perſonen, welche für die Bürgermeiſterwürde auserkoren wurden, das Amt niht annahmen. So {lug Peter Anton Marquis d'Antonelle, welcher früher Maire in ſeiner Geburts\tadt Arles geweſen war, die auf ihn gefallene Wahl aus. Antonelle, ein entſchiedener Revolutionär, fungirte im Jahre 1793 im Prozeſſe gegen die Girondiſten als Geſchworener, wurde 1796 in die Baboeuf' ſhe Verſhwörung verwicelt und im folgenden Jahre in dieſer Sache freigeſprochen ; er hat ſih als Schriſtſteller einen Namen gemacht und iſ am 26. November 1817 zu Arles geſtorben. Wie Antonelle, wies auh der geiſtig ſehr beſchränkte Heinrih Franz von Paule Le Fêvre d'Ormeſſon die Ehre, Pariſer Maire zu werden, von ſih. Derſelbe war ein perſönlicher Freund Ludwig's XVI. geweſen, hatte ſeit 1783, bis ex dur< Calonne erſeßt wurde, der General-Kontrole der Finanzen vorgeſtanden und war im Anfange der Revolution Pariſer Gerichtspräſident geworden. Er verdankte ſeine Wahl zum Maire nuv dex Lauheit der Wähler. Obſchon nämlich ſi<h die Pariſer Revolutionäre lebhaft bei der Wahl der Konvents-Deputirten betheiligt hatten, kümmerten ſie ſich doh wenig darum, wer jezt Maire wurde; denn ſie wußten, daß das Schi>ſal der Kommune in den Händen der 45 Sekltionen und des Generalraths lag, und daß der Maire faſt Nichts weiter als ein mit einem leeren Titel aus der fkonſtitutionellen Periode überlieferter Strohmann war. Nach Ablehnung des Herrn d'Ormeſſon mußte wegen überaus ſ{<hwacher Betheiligung der Wähler wiederholt gewählt werden, eche der Arzt Chambon eine hinreichende Majorität erlangte und Ende November das vakaute Amt autreten konnte. Chambon war zwar ein Freund Petion's und den Girondiſten zugeneigt, ſah ſih aber gezwungen, dem ſouveränen Willen der Sektionen zu entſprechen und ih in der Folge zum Werkzeuge der Revolutionäre zu machen. An der Stelle des gleichfalls in den- Konvent gewählten Manuel's *) wurde Chaumette Prokurator der Kommune und ſeine Subſtituten wurden Real und Hebert: — lauter entſchieden revolutionäre Leute.

Wir laſſen einſtweilen in anderer Hinſicht den Kampf der Kommune mit dem Konvente bei Seite und beſchäftigen uns im gegenwärtigen Kapitel nux mit der Rolle, welche ‘die Kommune gegenüber dem gefangenen Könige ſpielte. Judem wir dieß thun, müſſen wir zum 10. Auguſt zurückgehen, alſo in die Zeit, in welcher Petion noch Maire, Manuel no< Prokurator der Pariſer Kommune war.

Die bis zum 20. September 1792 forttagende Geſeßzgebende Verſammlung dachte urſprünglich nicht daran, den zu ihr geflüchteten und von ihr ſuspendirten König in ein Gefängniß einzuſperren. Jm Gegentheil wollte ſie ihn, nachdem er mittlerweile im Feuillants-Gebäude untergebracht worden war, in dem prächtigen, geräumigen Luxemburg-

*) Petion wurde im Konvente zum Präſidenten gewählt. Durch den unbedachten

Eifer Manuel's, der die Präſidentſchaft mit fürſtlihen Ehren ausgeſtattet wiſſen wollte, verlor Petion raſch ſeine Popularität; denn er erhielt den in revolutionäre =S Zeit ſehr gefährlichen Spißnamen: „der König“. AS GA E ESV

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