Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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über in der prächtigen Wohnung zubringen. Um dex Sicherheit willen mußte ſie des Nachts im kleinen Thurme ſchlafen.

Dieſer kleine Thurm war ein vierſtö>kiges, mit zwei Thürmchen flanfirtes Gebäude, Jn jedem Sto>werk beſanden ſi<h zwei Zimmer und ein Kabinet. Ex ſtieß au den großen Thurm, wax aber niht von Junen mit demſelben verbunden.

Anfangs durfte die königliche Familie auh in den ſchönen Gärten der Großpriorei ſpazieren gehen. Allein dieſe Freiheit mußte beſchränkt werden, weil von den benahbarten Häuſern aus, dereu Fenſter auf die Gärten gingen, die Royaliſten mit der königlichen Familie Verbindung anzuknüpfen ſuchten. Sobald nämli<h die töniglihe Familie in den Gärten erſchien, wurden jene Feuſter mit weißen Tüchern behängt und es ertönten royaliſtiſche Lieder. Bald ſchien eine förmliche Korreſpoudenz ſtattzufinden. Um dieſe Signale der Royaliſten ſih niht zu Befreiungsverſuchen entwiceln zu laſſen, wurde die köuigliche Familie ganz in deu kleinen Thurm einquartiert und durfte nur noh in einem feinen, mit hohen Mauern umgebenen und unbepflanzten Raume, wo ſie aus den bena<hbarten Häuſern uicht exbli>t werden konnte, ſih im Freien ergehen und friſche Luft ſ{höpfen. Dex kleine Thurm, von Geſtalt viere>ig, war 1222 erbaut worden. Seine Mauern waren 9 Fuß di und ungefähr 150 Fuß hoh. Seine vier Stockwerke waren ſämmitlich gewölbt, dergeſtalt, daß die Wölbung jedes Sto>werks in der Mitte auf einer diden Säule ruhte. Ueber den Zinnen und Seitenthürmc<hen des Thurmes erhoben ſich ſehr hohe, ſpi zulaufende Dächer. Die Kommune ließ längs der Treppe 7 Pförthen und Gukſenſter anbringen. Unten zur ebenen Erde befauden ſi<h die im Dienſte wechſelnden MunizipalBeamten, die auh den General Santerre überwachten. Jm erſten Stowerk lagerte eine fortwährend wechſelnde und aus den verſchiedenen revolutionären Sektionen entnommene Wache, dereu einzelne Leute folglich einander fremd waren. Der König bewohnte mit ſeinem Sohne und dem Kammerdiener Clery das zweite, die Königin nebſt ihrer, Tochter und Madame Eliſabeth, der Schweſter des Königs, das dritte Stockwerk. Das vierte blieb unbewohnt. Vor den Zimmern des zweiten und dritten Stockwerks befand ſih ein fortwährend mit Wachen beſetztes Vorzimmer. Um von der Treppe aus in die Zimmer der königlichen Familie zu gelangen, mußte man durch zwei feſte Thüren paſſiven. Die eine dieſer Thüren, gefertigt ans di>em Eichenholz, war mit großen Nägeln beſchlagen, die andere beſtand aus dicem Eiſen. Die Fenſter dex Zimmer waren nicht nux mit ſtarken eiſernen Gittern, ſondern au< mit Blenden verſehen. An den Thüren waren ſ{hwere Riegel angebracht.

Die Haft Ludwigs verſchärfte ſich, als die königliche Partei mehrmals vor dem Tempel Demonſtrationen machte. Weun dem Könige Neuigkeiten «mitgetheilt werden ſollten, gingen Royaliſten als Zeitungsverkäufer vox den Tempel und rieſen die betreſſenden Nachrichten, die der Revolution feindli< waren, in der Straße aus. Man ſah ſi< mehrmals veranlaßt, den Gefangenen das Papier, die Tinte und die Federn wegzunehmen.

Zuerſt erhielt die königliche Familie zum Thurmpförkner einen