Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

EO

der Königin, abgegeben, ſodaß ſie dur<h Madame Campan verbrannt werden konnten ; allein ein añderer Theil ſehr gravirender Papiere war vom Könige im Schranke belaſſen worden und fiel, da Gamin das Geheimniß bezügli<h des Schrankes *) dem Miniſter Roland entde>te, ſeinen Anklägern in die Hände. /

Es fragte ſih nun, was mit dem Könige, deſſen Konſpiration gegen die Revolution und deſſen Hochverrath gegen das franzöſiſche Volk lar zu Tage lag, angefangen werden ſollte. Zufolge dex Konſtitution von 1791 war der König, fo lange ex regierte, unverleßlih ; denn er war durch die Verantwortlichkeit der Miniſter gede>t. Ju dieſer Konſtitution waren die Fälle angegeben, in welchen er fo angeſehen werden ſollte, als ob er abgedankt hätte, Sodaun hieß es darin (Tit. TIL, Kap. IL, Art. 8): „Nach der ausdrücklichen oder legalen Abdankung gehört der König in die Klaſſe der citoyens und kann wie ſie wegen der Handlungen nah ſeiner Abdankung angeklagt und verurtheilt werden,“

Die Pariſer Kommune trieb den Konvent an, ſhleunig über die Sache zu entſcheiden. Jhre Sektionen forderten den Tod des nun wegen eines ſeiner Altvordern mit dem Familiennamen Capet belegten Königs. Durch den Sibungsſaal wurden auf Sänften Verwundete des 10. Auguſt defilirt, welche den Konvent um Rache anriefen, Petitionen und Adreſſen im gleichen Sinne langten aus Paris und aus den übrigen Städten Fraukreihs in Menge an. Die Kommune zeigte ſih um ſo mehr beſorgt, als Ludwig Capet während des Novembers einmal ernſtlih erkrankte.

Die konſequenten Revolutionäre waren der Anſicht, daß Ludwig aus politiſhen Gründen als Beſiegter und als Feind der Republik ohne Weiteres ſterben müßte, ohne daß die Rechtspoſſe eines Prozeſſes aufgeführt würde. s

Marat, der aber jet anders urtheilte, hatte in dieſer Beziehung ſhon 1780 in ſeinem dem Beccaria nachgeahmten Plan de législation criminelle (Entwurf des Kriminalrehts) geſchrieben: „Der Tod eines citoyen fann nur aus zwei Motiven für nothwendig erachtet werden. In Zeiten dex Unruhe, wo eine Nation im Begriffe ſteht, ihre Freiheit wiederzuerlangen oder ſie zu verlieren. Jn den Zeiten der Anarchie, wann an die Stelle der Geſeße die Verwirrung und Unorduung getreten iſt, kann der citoyen, au< wenn er ſeiner Freiheit beraubt ift, doh immer no< durch ſeine Beziehungen und dur< ſeinen Kredit der Sicherheit des Staates Schaden zuſügen ; wenn ſeine Exiſtenz alſo einen gefährlihen Umſturz der hergeſtellten Regierung hervorbringen kann, wird der Tod dieſes citoyen nothwendig.“

Marat war, gleih Robespierre, Couthon, St. Juſt und vielen andern Revolutionären, Schüler Jean Jacques Rouſſeau's, Was hatte

1 *) Genau genommen beſtand der Schrank in einem geheimen Fach, angebracht in der Mauer eines innern Korridors im Zimmer des Königs. Nur die mit einer Tapete bede>te Thür deſſelben war von Eiſen, — A, Carro, S. 153,