Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

EROE

hat dieſelbe aufre<t erhalten. Sie hat Sitten, dieſe Majorität; ſie hat Muth; abex ſie beſißt weder Verſhmißtheit, uo< Beredtſamkeit; ſie zerſhmettert die Tyxannen, aber läßt ſih oft von den Hallunken hinters Licht führen.“ U. f. w. 7;

Die langen Verhandlungen des Konvents über das Schicfſal des Königs ſeßten das Pariſer Volk in niht geringe Aufregung. Die Monarchiſten, obſchon gering an Zahl, bekanuten ſi<h öffentlih in den Kaffeehäuſern zu dex Monarchie und ſangen in den Straßen royaliſtiſche Lieder. Beſonders aber ſuchten ſie in den Theatern, wo ſie leicht das Uebergewicht erlangen fonnten, lärmende Demonſtrationen zu Gunſten des Königs zu machen. Das Volk bildet ſih ebenſo wenig dur<h das Anſchauen ‘von Theater-Auſführungen, wie dur das Leſen von Romanen in demokratiſcher Geſinnung aus. Denn durch dieſelben lernt es nicht ſelbſtändig denken und handeln. Nur gute Zeitungen und Broſchüren, nux gute Reden in Volksverſammlungen, uicht aber das Mitträumen von fkünſtlih zugeſchnittenen Theaterſtücken, wirken in revolutionärer Zeit aufs Volk aufklärend und auregend. Die Revolution iſ wirkliches, ernſtes, friſches Leben und hat Nichts gemein mit ven Komödien und Tragödien der Theater- Dichter und Schauſpieler. Jn deu Pariſer Theatern dominirten die Ariſtokraten. Jm Vaudeville applaudirten ſie ſtürmiſh eine Stelle der Chaste Suzanne (,Keuſche Suſanne“): „Wie fönnt ihr zugleih Aufläger und Richter ſein?“ — Ju der Comédie Française amüſirte ſie ein Stü: Amis des Lois („Freund der Geſeße“) wegen verſchiedener monarchiſtiſher Anſpielungen, Zwei Pariſer Sektionen verſaugten von ver Munizipalität, daß ſie die Darſtellung des lebtgenannten Stückes unterſagen ſollte. Die Kommune ſchritt ein, Santerre wurde jedo<h im Theater inſultirt, auf den Maire wurde nicht gehört. Man wandte ſi<h an den Konvent, und dieſer verfügte, daß die von dex Munizipal-Behörde verfügte Suspendirung des Stückes aufgehoben werden ſollte. Unter dem lärmenden Beiſalle des Parterres wurde, als der Entſcheid des Konvents eintraf, nun der „Freund der Geſebe“ aufgeführt. Judeß tadelte am folgenden Tage die Kommune die Nachgiebigkeit des Maires und hielt ihr Verbot des die Ordnung ſtörenden Stückes auſre<ht, Die Departemental-Behörde, ſowie auh das Miniſterium gaben der Kommune hierin Recht. Als nun aus den Theater-Anzeigen der Ami des Lois verſ<hwunden war, verlaugten am 15. Januar 1793 eine beträchtlihe Anzahl ungezogener junger Leute dex nämlichen Sorte, welcher ſpäterhin der Demokraten-Führer Baboeuf den Namen jeunesse dorée (Goldjugend oder Goldjüngel<en)*) gab, die Darſtellung des verpönten Stücks. Sie inſultirten die PolizeiBeamten und ſchimpften Santerre, als er ſelber im Theater erſchien,

*) Herr Profeſſor Adolf Schmidt hat in ſeinem Werke: „Franzöſiſche ZUſtände“ ein langes Kapitel über dieſe Benennung geſchrieben und zu beweiſen geſucht, daß die Partei-Bezeichnung „Goldjugend“ in der Revolution gar nicht gebraucht worden ſei. Hätte er, anſtatt ſeiner Polizeiſpißel, doh Baboeuf, den Führer der Revolutionäre von 1795—96 geleſen, würde er ſih nicht zu dieſer Abſurdität verſtiegen haben. Aber ſo geht's, wenn man eine große Revolution nur aus Polizei-Berichten ſtudirt und den Wald vor lauter Bäumen nicht ſieht!