Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

— 117 —

Die Fahrt vom Tempel nah dem Revolutions-Plaße hatte über eine Stunde gedauert. Sie hielt endlih zwiſchen dem Geſtell der zerſtörten Statue Ludwig's XV. und den Elyſäiſchen Feldern till, wie vom Vollziehungsrathe verordnet war. Hier war das Schaffot errichtet. Um daſſelbe war ein weiter, rings mit Kanonen bepflanzter und mit Bewaffneten beſeßter Raum gelaſſen. Hier ſtanden voran die Marſeiller, welche die Hinrichtung des Tyrannen ſehen wollten. „Drüber hinaus,“ ſchreibt der Abt Edgeworth, „ſoweit das Auge reichte, gewahrte mau nur bewaffnete Menge.“ Hinter einem Steinhaufen hervor riefen einige Anhäuger des Königs um Gnade, allein ihre ſpärlichen Stimmen verhallten, ohne in der verſammelten Menge ein Echo zu finden.

Sobald um 10 Uhr 10 Minuten die Kutſche auf dem RevolutionsPlate ſtill hielt, öffnete der Scharfrichter den Kutſchenſhlag. Als der König ausſtieg, umringten ihn die Büttel und wollten ihm den Rok ausziehen. Er ſtieß ſie zurü> und zog \i< ihn ſelbſt aus, that den Kragen ah und zog das Hemd herunter. Als ihm die Scharfrichtersfne<hte die Hände feſſeln wollten, rief er lebhaft: „Was fällt Jhnen ein? — „Wir wollen Sie binden,“ antworteten dieſelben. — „Darein willige ih niht,“ verſeßte Louis Capet. Die Henker ſahen ein, daß ſie Gewalt anwenden mußten. Ludwig blickte na<h dem Pfaffen, und dieſer ſalbaderte: „Sire, Sie werden dem göttlichen Erlöſer nux um ſo ähnlicher ſein.“ — Da hob Louis Capet die Augen gen Himmel und ſagte mit Bitterkeit zu den Bütteln: „Macht mit mix, was ihr wollt, ih werde den Kel<h bis auf die Neige leeren.“ — Nachdem ex mit ſeinem Taſchentuche uun gefeſſelt worden war, ſtieg er die ſteile Treppe des Schaffots hinauf, indem er ſi< auf den Prieſter ſtützte. Oben angekommen, ſchritt ex übers Schaffot und fragte, ob die Tambours immerfort trommeln würden. Als die Henker ihn auf die Planke ſchnallen wollten, winkte ex den Tambours zu, daß ſie aufhören ſollten. Sie ließen einen Augenbli> na<. Santerre ſchreibt darüber in ſeinen hinterlaſſenen Manuſkripten :

„Dh hieß die Tambours, welche den Marſch forttrommelten, mit dem ſie niht aufhören durften, bis die ſämmtlichen Truppen auf den Plaß gekommen waren und nicht mehr marſchirten, inne halten. Alsdann ſagte der König ziemlich laut, ſodaß man es ſe<s Schritte weit hören fonnte: „„J<h wünſche, daß mein Blut das Glück Frankreichs fittet.“*" Und ex trat vom Schaffot-Geläuder zurück.“

In demſelben Augenblicke gab der Höchſtkommandirende, General Berruyev, den Befehl, den Santerre als untergeordneter General wiederholen mußte, daß die Tambours einen Wirbel {lagen ſollten, damit Jedermann ſeinen Plaß einnahm und ſi<h ins Glied ſtellte.

Während dieſes Wirbels faßten die drei Büttel den König und in wenigen Sekunden — es war Vormittags 10 Uhr 20 Miuuten war das einſt mit einer glänzenden Krone bede>t geweſene Haupt abgeſchlagen. Der Scharſrichter ergriff daſſelbe beim Schopfe und zeigte es dem verſammelten bewaffneten Volke, welches in den vieltauſendſtimmigen Ruf ausbra<h: „Es lebe die Republik !“ Manche Anweſende tauchten ihre Taſchentücher, andere ihre Piken in das Blut des Königs.