Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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fönne, wenn ihn die Geſellſchaft benachtheilige, in den Naturzuſtand zurückehren und das urſprünglich beſeſſene Naturrecht für ſi<h geltend machen. Aus dieſer Theorie ergaben ſih die Menſchenrechte, jeune unveräußerlichen, von der Natux herrührenden Rechte, die jedes Menſchenkind bei der Geburt mit auf die Welt bringe, Auf den Menſchenrechten aber war wiederum die Theorie von der Souveränität, von der Freiheit und Gleichheit des Volks, aufgeführt. Hieraus wird erſichtlih, daß die Revolution kein mit klarem Bewußtſein ſi<h wvollziehender Klaſſenkampf war und daß das ihr zum Evangelium dienende myſtiſhe Naturrecht eine Menge Auslegungen hervorbringen, verſchiedene Richtungen ere und eine lange Reihe von Entwi>elungs-Phaſen zur Folge haben mußte.

Die meiſten Revolutionäre exfannten das Recht auf Exiſtenz und das Recht auf Arbeit als Menſchenrechte an. Sie erklärten es als Pſlicht der Reichen, des Staates und der Kommunen, die armen Mitbürger zu unterſtüßen. Das Recht zu arbeiten, „das Eigenthum jedes Menſchen“, hatte {hon der Miniſter Turgot vor der Revolution in dem Edikte, wodurch er die Zünſte aufhob, das „erſte, heiligſte und unvorſhreiblihſte unter allen Rechten“ genannt. Der Deputirte Malouet ſchilderte der National-Verſammlung am 3. Auguſt die Noth des arbeitenden Volks und forderte ſie auf, überall Unterſtühungs- und ArbeitsBureaux zu orgauiſiren, fand aber wenig Anklang. Marat ſagte in ſeinem Konſtitutions-Entwurfe geradezu: „Der ehrbare citoyen, welchen die Geſellſchaft ſeinem Elende und ſeiner Verzweiflung überläßt, kehrt in den Naturzuſtand zurü>t und hat das Recht, mit gewaſſneter Hand ſich Vortheile zu verſchaffen, deren er ſi<h nux hat entäußern können, um no< größere zu erlangen ; jede Behörde, die ſi<h ihm widerſetzt, iſt tyranniſh, und der ihn zum Tode verurtheilende Richter iſt ein feiger Meuchelmörder.“*) Ja Marat, der ſi<h beſonders des nothleidenden Volks annahm, behauptete ſogar, daß ein ſolcher dem Hungertode preisgegebener Menſch, um ſih zu retten, ſeine Nebenmenſchen wie ein wildes Thier in Stücke reißen und ſie verzehren dürfte. Gleiche Anſichten hat Marat in ſeinem ſchon 1780 zu Neuchâtel erſchienenen, damals auh ins Deutſche überſeßten Werke über die Kriminal-Geſeßgebung (Plan de législation criminelle) ausgeſprohen. Für Marat iſt das erſte Menſchenrecht das Recht auf Exiſtenz.

Jn Paris waren zur Beſchäftigung der Arbeitsloſen öffentliche Erdarbeiten eröffnet worden ; allein dieſelben genügten der großen Menge der Nothleidenden niht. Kein Wunder, wenn das durch den Hunger wüthend gemachte Volk hin und wieder einen „Wucherer“ an einen Laternenpfahl aufhängte. Die Bourgeoiſie mit ihrem vollen Magen war freili< über die zunehmende Verwilderung des Volks ſittlih entrüſtet und verlangte ſtrenge Beſtrafung der Exzeſſe. Als nun das Volk auch einen Pariſer Bä>ker, Namens François, erwürgt hatte, wurde am

*) La Constitution onu Projet de déclaration des droits de l’homme et du citoyen, suivi d’un plan de constitution juste, sage ct libre. Par FVauteur de VOffrande à la Patric, Paris chez Buisson, 1789, 8%. (67 Seiten.)