Griechische Bildwerke : mit 140, darunter etwa 50 ganzseitigen, Abbildungen

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Lord Elgin aus Athen nach dem Westen gebracht waren, verschaffte sich Goethe einen Gipsabguß dieses Kopfes aus Paris. Der gleichzeitig bestellte Gipsabguß des Kopfes von einem der spätantiken Bronzepferde, die jetzt auf der Vorhalle der Markuskirche in Venedig stehen, traf eher in Weimar ein, „und ließ uns“, heißt es in den Tagund Jahresheiten 1818, „seine Vorzüge empfinden, ehe uns der andere durch überschwängliche Großheit dafür unempfänglich gemacht hatte“. Zwei Jahre später, im Jahre 1820, kommt Goethe in seiner Zeitschrift „Über Kunst und Altertum‘‘ noch einmal ausführlich auf beide Werke zu sprechen: „Das Pferd aus Athen ist höher gedacht, gewaltiger, schnaubend, mit gerundeten vorliegenden Augen gespenstermäßig blickend. Die Ohren zurückgelegt, den Mund geöffnet, scheint es stürmisch vorwärts zudringen, aber mit Macht angehalten zu werden. Sehen wir auf die Arbeit, so zeigt sich überall die alte Simplizität, ehrenwerter Fleiß und Treue, aber auch wohl noch einiges Steife. An der Mähne z. B. ist Strich neben Strich gelegt, keiner mehr oder weniger vertieft, ganz gleichlaufend, an der Biegung des Halses Falte der Haut neben Falte mit fast gar keiner Abwechslung. Die Ausführung überhaupt verdient großes Lob, Muskeln und Knochen hat der Meister genau, mit gründlicher Kenntnis, Ausdruck und Wahrheit dargestellt. Die Augen sind vortrefflich gestaltet und vollendet, die Stirne breit, flach, knöchern, die Nasenölfnungen weit gedehnt vom Strome des Atems, die Oberlippe wie belebt und in Bewegung. Ist gleich der Marmor an der Nase gegen die Stirne hinauf stark ausgewittert, so erkennt man doch noch die Spur ursprünglich angedeuteter Adern an dieser Stelle.“

. Orpheus und Eurydike. Die inschriftliche Be-

zeichnung der Figuren ist nicht ursprünglich, gibt aber die richtige Deutung. Orpheus hat, als er Eurydike aus der Unterwelt heraufführte, das Verbot, sich umzusehen, übertreten und muß nun die kaum Wiedergewonnene zum zweiten Male verlieren. Hermes, der „Seelengeleiter‘“, legt mit sanftem Zwang die Hand auf ihren Arm, um sie in die Unterwelt zurückzuführen. Die Weichheit des Empfindungsausdruckes wird dem griechischen Original nicht in dem Maße eigen gewesen sein, die außerordentliche Klarheit aber, mit der durch wenige leichte Gebärden und durch die Haltung der drei Figuren der seelische Vorgang verbildlicht ist, hat mit dem großen Fries vom Parthenontempel in Athen die nächste Verwandtschaft. Das Original dieser in römischer Zeit mehrfach wiederholten Kopie muß mit dem Fries etwa gleichzeitig entstanden sein.

Die eleusinischen Gottheiten. Demeter und ihre Tochter Kora wurden in Eleusis gemeinsam verehrt. Triptolemos, der Lokalgott von Eleusis, erscheint neben ihnen: er soll im Auftrag der Demeter den Ackerbau und die damit verbundene Kultur verbreitet haben, indem er auf einem Drachenwagen die Erde durchzog. Das Relief stellt seine Entsendung dar. Vor Triptolemos steht Demeter, durch das lange Szepter, die würdevolle Haltung und Gewandung und dadurch, daß der Knabe ihr zugewandt steht, als die ältere der beiden Göttinnen charakterisiert. Sie übergibt ihm das Saatkorn in Gestalt einer Ähre, die ursprünglich durch Malerei angegeben gewesen sein muß. Die jugendliche Kora mit

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der Fackel im Arm setzt dem Knaben einen Kranz auf, der verloren ist und, wie ein Bohrloch vor dem Kopf des Triptolemos schließen läßt, aus Bronze besonders gearbeitet war. Auch Kora trug, wie die Bohrlöcher beweisen, Armbänder, Halsband und Ohrringe von Metall.

Das Relief ist etwa gleichzeitig mit dem Fries des Parthenontempels entstanden. Hermenbüste des Perikles. Die Größe des griechischen Kunststiles, der dem Individuellen typische Bedeutung und den Typus immer individuelle Lebenswärme gibt, zeigt sich am schlagendsten naturgemäß in der Behandlung des Porträts. Wir besitzen wenigstens in Kopien ein Hauptwerk der Art in der Bildnisherme des Perikles, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Statue von der Hand des Kresilas aus der Mitte des V. Jahrhunderts zurückgeführt werden kann. Es steckt große künstlerische Überlegung in der Komposition des Kopfes, in dem Gegeneinanderstellen des glattwandigen hochgeschobenen korinthischen Helmes mit der mächtig gerundeten Helmhinterhauptswölbung und dem tragischen Maskenschnitt des lebendig geformten Gesichtes, dessen Stirn in den Schatten des Helmschirmes hineinragt. Die leichte Seitwärtsneigung desKopfes, die den Eindruck macht, als sei sie Abbild individueller Gewöhnung, war gewiß auch dem Originalbildwerk eigen.

Die Büste wurde im Jahre 1781 in einer Villa bei Tivoli gefunden. Ergänzt sind der größte Teil der Nase und kleine Stücke des Helmschirmes.

. Mädchen vom Erechtheion. Der Tempel des

Erechtheus auf der Burg von Athen hat an der Westecke der Südseite einen kleinen Anbau, dessen leichtes eines Frieses entbehrendes ionisches Gebälk von sechs Mädchen getragen wird. Die ganze Erscheinung der Mädchen ist aus ihrer tektonischen Bestimmung abgeleitet. Sie sind ohne individuelle Verschiedenheiten gebildet, nur ruht überall die Hauptlast des Körpers auf dem äußeren Bein, während jedesmal das innere als Spielbein behandelt ist. Dadurch wurde bei den Mädchen der äußeren Schmalseiten der Halle nach außen der säulenhafte Umriß gewahrt, der noch durch die Art des Gewandes mit gleichmäßig wie Kanelüren gefurchten Parallelialten verstärkt wird. Doch sind die Mädchen nicht zu eng tektonisch gebunden, vielmehr beruht ihre außerordentliche künstlerische Schönheit gerade in dem Umstande, daß sie fähig erscheinen, Säulen gleich, das leichte Gebälk zu tragen, ohne in ihrem menschlichen Charakter geschädigt zu werden. Die breite kräftig entwickelte Brust ist durch das Faltenspiel des unter dem freien Überschlag gegürteten, auf den Schultern gespangten Gewandes belebt, von dem gerade gehobenen Haupt fallen die Haarflechten auf die Schultern herab. Die Arme hängen bei allen gleichmäßig lose am Körper nieder, nur die eine Hand faßt leicht einen Zipfel des Gewandes.

52, Bronzeherme einer Amazone. Die Matteische Amazone im Vatikan. Die literarische Überlieferung des Altertums schreibt dem Phidias außer den großen Götterbildern auch eine Amazone zu, die wir vielleicht in dem Typus der vatikanischen Statue erkennen dürfen, die sich irüher in der Villa Mattei in Rom befand. Die Statue (52), bei der beide Arme und das rechte Bein mit Ausnahme des Fußes neu sind, der Kopf zwar antik, aber nicht ursprünglich zugehörig ist, ist falsch ergänzt. Sie stützte sich,