Griechische Bildwerke : mit 140, darunter etwa 50 ganzseitigen, Abbildungen

in jeder Äußerung griechischen Geistes ausspricht, ruht wohl meist verhalten. Wo es aber auf die Probe gestellt wird, in Szenen des Kampfes, ja des Kampfes mit den olympischen Göttern, da bricht es mit überwältigendem Pathos hervor.

Schon die Alten selbst haben die Gunst des Klimas, alle die Vorzüge des hellen Himmels und des „göttlichen Meeres‘, die dem griechischen Wesen die kristallene Durchsichtigkeit und die rastlose Regsamkeit mitgeteilt zu haben scheinen, die heitere Mannigfaltigkeit des reich gegliederten Landes gepriesen, ja selbst versucht, sich aus diesen natürlichen Bedingungen die Kraft und den Reichtum ihrer Anlagen zu erklären. Ein liebenswürdiger Zug leichtherziger Bescheidenheit, die aber dem eigenen Verdienst sicher nicht gerecht geworden ist. Der griechische Charakter war nicht das Produkt einer günstigen geographischen Situation, er entwickelte sich in strenger, Geist und Körper gleichmäßig anspannender Zucht aus der einzigartigen Anlage des Volkes, das freilich den gegebenen Naturbedingungen abzugewinnen gewußt hat, was ihnen abzugewinnen war.

Nie hat die künstlerische und sittliche Intelligenz der Griechen Freiheit mit Ungebundenheit im Ernst verwechseln können. Die Freiheit, die ihnen Lebensbedürfnis war, hat die edelste Form: Unabhängigkeit von fremdem Zwang, um dem eigenen Gesetz gehorsam sein zu können, mit dem Bewußtsein, „daß die Zufälle über den Menschen gebieten und nicht der Mensch über die Zufälle“. Dieses Bewußtsein gibt der griechischen Heiterkeit den Gehalt schwermutvollen Ernstes, ohne den jede Heiterkeit wertlos und unerträglich bleibt.

Was Herodot den Griechen Demaratos zu Xerxes sagen läßt, ist sicher allgemein griechische Überzeugung gewesen: Obwohl die Griechen frei sind, sind sie doch nicht in allem frei; sie haben über sich das Gesetz, das sie weit mehr fürchten als deine Leute dich, und was das Gesetz ihnen gebietet, das tun sie.

Aber auch diese freiwillige Unterordnung unter die Zucht des Staatsgesetzes, die wir als so eigentümlich griechisch emp-

finden, war noch nicht die letzte Idee der griechischen Ethik. Hinter dem allgemein verbindlichen Staatsgesetz stehen unverbrüchlich die „ungeschriebenen Gesetze‘, die Norm, nach der jeder einzelne für sich sein Leben zu führen hat, um die selbstbewußte Freiheit seiner Persönlichkeit zu bewähren.

In dieser willkürlichen Selbstbeschränkung haben die Griechen ihre Meisterschaft bewiesen. Vielleicht nicht immer im Leben, wo die politische Leidenschaft oft das ethische Bewußtsein überschäumte, wohl aber im Denken und in der Kunst, in der die Griechen ihr eigenes Ideal gebildet haben. Wie sie sich hier darstellen, so wünschten sie zu sein, nicht nur zu scheinen.

2.

Der ethische Grundzug des griechischen Charakters, die Forderung freier Selbstbestimmung ist das Neue, was die Griechen gebracht haben. Wir vergessen das leicht; weil diese Forderung uns nun seit langem selbstverständliches und unveräußerliches Gut geworden ist.

Der ganze antike Orient hat sich nie über die rohe Auffassung zu erheben vermocht, die in dem despotischen Herrscher den Gipfel der Weltentwicklung sieht. Damit fiel auch der Kunst des Orients die Verherrlichung einer Übermacht des Menschen über den Menschen als höchste Aufgabe zu, die noch dazu ganz wesentlich als physische Übergewalt gefaßt und dargestellt wurde. In Griechenland dagegen steht von Anfang an der Mensch nach seiner einfachen, natürlichen Erscheinung, nur um seines menschlichen Wesens willen frei neben seinesgleichen, in der leichten Ruhe ungeschminkter Natürlichkeit. In seiner Darstellung verbindet sich die anmutigste Bescheidenheit mit dem deutlichen Stolz selbstbewußter menschlicher Existenz.

Es ist ja die große Tugend der Griechen, „keiner Sache weder zu viel noch zu wenig zu tun“. Sie scheuen sich nicht, das Selbstverständliche auszusprechen, aber weil sie ihm dabei ganz den Charakter des Selbstverständlichen lassen, erscheint alles, was