Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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herrſchen, die Berliner möchten alle ausrücken und mit den Oeſterreichern in's Feld ziehen, aber es iſ leider noh nicht der Augenbli> gekommen, wo es für uns möglich iſ, uns zu erheben; wix würden jeßt nur ein neues Unglück über uns heraufbeſhwören.

83. Mai.

Jn Caſſel iſ unter einem Oberſt Dörnberg eine Er= hebung verſucht worden; man hatte ſie verrathen und ſo haben ſie leider zu früh losſ<hlagen müſſen, ehe ſie mit ihren Vorbereitungen fertig waren; Gott wolle ihnen helfen! —

Baron Moltke kam heute aus Petersburg hier an und ſagt, es ſei unwahr, daß Rußland ſih gegen Oeſterreich er= flären werde; man dürfe ſo Etwas von dem Kaiſer nicht glauben, auc das ruſſiſche Volk würde es einfa niht leiden.

4, Mai.

Keine Nachrichten! Es heißt, Jêrome ſei in Caſſel ein= geſperrt durch die Aufſtändiſchen; Schill iſt aus Berlin mit ſeinem Huſarenregiment verſhwunden; man fürchtet, um ‘irgend eine große Unbeſonnenheit zu begehen. Gott gebe, daß er wenigſtens niht ſeinen König dabei compromittixt, der von dem Allen nichts geahnt hat.

5. Mai.

Dieſer Teufel von Clairambault, der franzöſiſche Ge= ſandte hier, ſchrieb mix heute ein Billet um zu melden: Die Franzoſen hätten vier Tage hintereinander die Oeſterreicher geſchlagen, in Regensburg wären 100 Kanonen und 50,000 Gefangene genommen worden, kurz, alles Entſeßlichſte und Gräßlichſte, wovon ih wette, daß niht einmal der vierte Theil wahr iſ. J< zeigte den Brief den Majeſtäten, die Königin war ganz vernichtet vor Shre>; ah, und dex arme