Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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und in ſeiner Entwicklung ſo ſorgſam beobachteten Kronprinzen, finden wir die folgenden Zeilen:

„Heute vor ſechszehn Jahren wax einer dex ſ{<önſten Tage meines Lebens! — Wie denke ih an jenen October 1795 zurü>, wo der geliebte Kronprinz - das Licht erblickte zux unbeſchreiblichen Freude des Königs und dex Königin, deren erſtes Wort ein inniger Dank gegen Gott war! Ex hatte ihr den Sohn geſchenkt, den fie ſich ſo ſehnlih wünſchte und der gewiß immer ihres Herzens größte Freude und Stolz geweſen wäre! — Jn dem Augenblick, da dieſer geliebte Prinz zur Welt kam, vergaß ih auf einmal mein Alter; mir wax, als wäre ih wieder jung geworden, fo glücklich war i<! — Doppelt tief fühlte ih den Dank für die Gnade Gottes nah dem Unglück des vorhergehenden Jahres, wo die arme Königin ſo namenlos litt und die kleine Prinzeſſin dann doch todt geboren wurde.

Jh ſtaunte damals über ihren Muth und ihre Standhaftigkeit, wie fie unter den größten Schmerzen voll frommer Hoffnung getroſt zu Gott aufſah, und wie damals, ſo in den ſchwerſten Tagen ihres ſpäteren Lebens, beim Tode ihres Lieblings, des kleinen Prinzen Ferdinand, in den Drangſalen des Krieges, flüchtend von einem Orte zum andern, blieb ihre Ergebung in den göttlichen Nathſ<hluß ſich immer gleich ; fein Unglück konnte den Frieden ihrer Seele und deren Zuverſicht zur ewigen Vorſehung erſchüttern! — Gleich ihrem Leben war auch ihr Tod. Sie ahnte nicht die Gefahr, die man ihr ängſtlich verheimlicht hatte, ahnte niht die furchtbare Nähe des Todes und doh im Augenblick, als ex ſie exfaßte, wie fromm ergab ſie ſi< in den Willen Gottes, wie zärtlich drückte ſie ihrem Gemahl die Hände noh, bis