Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

160 V, Ausbreitung der Hermetischen Literatur.

bloß an der Beeinflußung der christlichen Literatur, sondern auch an der Tatsache ermessen, daß die Hermetischen Gemeinden zum mindesten an den Grenzen des Reiches dem Christentum dauernden Widerstand geleistet‘), ja sogar an einer besonders wichtigen Stelle die Herrschaft des Christentums überdauert und dem Islam so lange getrotzt haben, bis sie ihre weltgeschichtliche Aufgabe, mit dazu beizutragen, daß der Orient sich griechischem Denken erschlösse, voll erfüllt hatten. Es sei gestattet, auf diese wenig bekannte Fortwirkung der hellenistisch-ägyptischen Theologie zunächst noch einen Blick zu werfen.

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Die Stärke der Einwirkung der Hermetischen Literatur auf die außerägyptischen Länder läßt sich schwerlich schon jetzt abschätzen. Naturgemäß wird sie zugleich mit dem Kult ägyptischer Gottheiten eingewandert sein und sich wegen ihrer philosophischen Bestandteile zum Teil sogar länger als der Kult behauptet haben. So ist an ihrer raschen Übertragung z. B. nach Rom?) ebensowenig Anstoß zu nehmen wie an ihrem langen Fortwirken z. B. in der Provinz Afrika. Wichtiger scheint mir, ihre Einflüsse im Orient so weit zu verfolgen, als dies dem Laien möglich ist, und wenigstens die Probleme zu bezeichnen, für welche ich mir die Hilfe der Fachmänner erbitten möchte.

Athenagoras kannte, wie ich früher (S. 2) erwähnte, eine weit verbreitete euhemeristische Schrift des Hermes Trismegistos; ähnliche Schriften hat nach der Behauptung Philons von Byblos der angebliche

ist kaum zu sagen. Wo er sich bildete, mußte die Schätzung und Wirksamkeit dieser Schriften natürlich wachsen.

1) Vgl. für den Isis-Kult zu Philae und das Fortleben heidnischer Kollegien Wilcken, Archiv f. Papyrus-Forschung I 396 ff.

2) Für Rom dürfte die frühste, allerdings wohl noch indirekte Einwirkung wohl schon in den angeblichen „Büchern des Numa‘“ zu suchen sein, und vielleicht darf man betonen, daß die sicher aus dem Orient entlehnten Bacchanalien in der Betonung des Prophetentums und der religiösen Bedeutung der cuvoucla auch an Ägyptisches erinnern. Für Messalla, Nigidius Figulus u. a. ist ägyptischer Einfluß selbstyerständlich. Einzelnes in Beilage II.