Archiv für slavische Philologie : Jovanović, »La Guzla« de Prosp. Mérimée
Jovanovic, »La Guzla« de Prosp. Mérimée, angez. von Curcin.
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Mérimées Werken einzuräumen? Welche Stelle in der literarischen Produktion jener Zeit? Gehört es der Romantik an? Ist es eine Übersetzung oder eine Nachahmung? Inwiefern kann das Buch überhaupt als persönliche Erfindung, originale Schöpfung seines Verfassers betrachtet werden? Schließlich, wie weit und in welchem Umfange läßt es das poetische Genie der slavischen Völker auf der Balkanhalbinsel ahnen? Die letzte Frage fällt schon vollständig auch in unseren Gesichtskreis, und schon allein für die erschöpfende Beantwortung ihrer wären wir ihrem Löser zu Dank verpflichtet. Der Verfasser läßt uns keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß wir es hier mit einer ausgesprochenen Mystifikation zu tun haben, wobei »das poetische Genie der slavischen Völker» ganz aus dem Spiel bleibt. Damit im Zusammenhänge, oder daneben, hat er noch andere Fragen und Probleme in solcher Fülle berührt und zu beantworten gewußt, daß er mit Recht hoffen darf, sowohl für die Mériméeisten , als auch für die Slavisten, für die Kenner der Romantik, und auch, wenn auch in viel geringerem Maße, für die Goetheforscher, nützliche Arbeit getan zu haben. Das Buch zerfällt in drei Hauptteile: 1. Vorgeschichte der »Guzla«, 2. Quellen des Werkes, und 3. Geschichte des Werkes nach seinem Erscheinen. Die Vorgeschichte umfaßt in drei Kapiteln alles, was vor Mérimée auf französisch über Illyrier, d. h. über Serbokroaten, geschrieben worden, bis auf Charles Nodier und seine Romane; weiter, die Geschichte des Volkslieds mit besonderer Rücksicht auf Fauriels Sammlung der griechischen und Karadzics Sammlungen der serbischen Volkslieder; schließlich, die Anfänge Mérimées und die literarischen Ilauptströmungen in Frankreich während der Entstehungszeit der »Guzla». In den beiden ersten Kapiteln des zweiten Hauptteils, Über die Quellen, folgen der Reihe nach die Schriften und Autoren, aus denen Mérimée sein Werkchen zusammengeschrieben, eigentlich mosaikartig zusammengestellt hatte : Nodier, Fauriel, Chaumette-Defossés,Eine chinesische Geschichte (»l’orphelin de la Chine«), Fortis, Dante, Theokrit, die Bibel usw.; jeder Abschnitt der »Guzla« wird mit seiner Quelle eingehend verglichen. Das folgende Kapitel ist dem Übernatürlichen (Vampyrismus und Böses Auge) gewidmet; im vierten wird die Geschichte des »Klaggesanges von der edlen Frauen des Asan Aga« wiedergegeben und die Kritik der Mériméeschen Übersetzung daran geknüpft. Im dritten Teile führt der Verfasser in vier Kapiteln (vom 8.—12.) die Schicksale der »Guzla», nachdem das.Werk erschienen war, vor, und berichtet von dem Erfolg in verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Völkern: zunächst in Frankreich selbst, dann in Deutschland, England und Rußland. Nach einer Schlußbetrachtung folgt ein Anhang: »Über eine unveröffentlichte Übersetzung des »Klaggesanges« durch Walter Scott« (gehört eigentlich zum Kapitel VII), dann eine Bibliographie 1. der Ausgaben von »La Guzla«, 2. der Übersetzungen, 3. der Besprechungen zur Zeit des Erscheinens, 4. der übrigen Besprechungen und Schriften über das Werk, 5. der Schriften und Monographieen über Mérimée selbst. Den Abschluß des Bandes bildet ein Register, das, fleißig und genau ausgearbeitet, einem umfangreichen Werke wie das vorliegende sehr zustatten kommt.