Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

22 Der LTalisman des Weibes.

dem oder gerade deshalb, weil ſie eifrig an dunklen Strümpfen für Tante Käthe's Schüßlinge ſtricte und von Niemand beobachtet wurde. Unſagbare Furcht rang ſich ihr plöbli<h vom Herzen los. Sie ſchaute hinüber zu Meiſchi>, Er exſchien bleicher als gewöhnlich, ſeine Sprechz iveiſe war abgeriſſen und ironiſirend. Auch ex beobachtete Juma, aber er ſah nur Koketterie in ihrem Mienenſpiel. Freiberg's Perſönlichkeit war ihm ſo vollkommen gleicß= giltig, daß ex ihm niht die geringſte Aufmerkſamkeit ſchenkte.

Ín dieſem Sicherheilsgeflihl, dieſer Selbſtverherrlichung gewiſſermaßen, lag die Erklärung ſeiner ſonſt unbegreif= lichen Handlungsweiſe. — —

Ín den nächſten vierundzwanzig Stunden herxſchte er= wartungsvolles Treiben im Städtchen Sittlingen. Groß

“und Klein, Alt und Jung führten nux drei Worte im Munde: Schlittenfahrt, Freiberg und Kronthal.

Das Wetter wax günſtig, der Himmel mattblau, ohne Wolkenſ<hmu>, die Sonne ſroſtig golden, die Luft un= bewegt und durchſichtig klar, der Erdboden eine glänzend weiße De>ke, mit Silberbäumen längs der Chauſſee eingefaßt, Alles flimmernd in ſtiller Winterpracht, die wie ein erſtarrter Gedanke über der frühlingëluſtigen Natur hing.

Gleih na< zwei Uhr ließen ſi< hier und da in den Straßen muntere Glöckchen hören; auf dem Markt ſtand die geſammte Jugend, zappelnd vor Erwartung und Kälte. Alle Nichtreſſouxcenfähige drückten wenigſtens ihre Naſen an den Fenſterſcheiben platt, um den Vorgeſchma> dieſer