Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

38 Dex Talisman des Weibes.

„Schweige von ihm! Seine Beurtheilung liegt außer Deinex Faſſungskraft. Eher können Himmel und Erde ſich vereinen, Feuex und Eis, als Du ihn begreifen kannſt. Er und Du!“ Sie lachte bitter auf. „Zwei Pole, die ſi<h nie begegnen können, weil eine Welt von Verſchiedenheiten ſie trennt !“

„Sie dürften fich doch begegnen, früher als Du glaubſt,“ entgegnete ex, ihre Hand ergreifend und heftig preſſend. Sein ſonſt kalter Bli> glühte vor Zorn. „Dex Graf wixd mein Haus nie wieder betreten, das merke !“

Unbedacht ihrem Jmpulſe folgend uief ſie: „Fordere ihn dazu auf, und ex wird Dix den Nü>ken wenden! O, no< gibt es Männex, die Deine Despotie verabſcheuen, die in der gebrochenen Willenskraft eines Weibes keinen Triumph ſehen, ſondern die Schande des Unterdrückers! Solch? ein Mann iſt der Graf! Du haſt ihm vollauf Gelegenheit gegeben, mein Loos bedauernswerth zu finden, Du haſt ihn davon überzeugt, daß Dein Herz bar an Liebe und Anhänglichkeit iſt. Du haſt ihm mit Deinem hochmüthigen Pochen auf Unfehlbarkeit und Gattenre<ht den Haß gegen Dich ſelbſt in die Seele gepflanzt! Nun wunderſt Du Dich, daß ex mich beſſer begreift als Du? Und wenn ex Nichts für mich fühlte als Mitleid,“ rief ſie, in heiße Thränen ausbrechend, „ſo machte ihn das ſchon zum rettenden Gott für mein verkanntes Herz.

Der Amktsxrichter fixirte Jrma einige Sekunden ſprach= ſos. Endlich ſagte er mit vernichtender Ruhe: „Dein widerſinniger Hang zur Romantik hat Dix den geſunden Verſtand geraubt — oder, oder —“ Ex trat ihr heſtig