Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
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Roman von Geoxg Hartig, 49
orduung durcheinander reißend. „Warum in aller Welt gaben Sie au< nicht ſchärfer Obacht auf dieſe Herzens= verirruug Jhrer Gattin !“
„Jh habe keine Gattin mehr,“ bemerkte Meiſchick, dieſen Vorwurf kühl ablehnend. „Zur Sache! Machen Sie dem Grafen bemerkli<h, daß ſeine Nechte erſt mit dem Augen= bli in Kraft treten, wo ih aus dem Leben geſchieden bin. Heute Nachmittag drei Uhr werde ih in der Lichtung des Buchenwaldes für ihn zu ſprechen ſein. Mein Sekundank find Sie !“
„Ja, in Gottes Namen! Aber wenn etwas mir je am Herzen genagt hat, ſo iſt es dieſer neue Beiveis von der Unzulänglichkeit unſerer Menſchenkenntniß. J< beklage Sie aufrichtig!“ ſagte Dreyſing, ſeine Hand vielſagend auf Meiſchi’s Schulter legend. „Aber wenn wix uns jebt abermals in Jhrer Gattin täuſchten, wenn ſie niht dem in ihrer Lage natürlihſten Fmpulſe folgte? Soll ih auh in dieſem Falle — ?“
„JG hoffe, der Graf wird meinen geſtrigen Abſchied immerhin einer Kugel für werth halten. Das Rendez=vous findet ſtatt, mag ſie bei ihm ſein oder nicht. Der Meuchel= mörder, der Buſchklepper treiben ein ehrenhafteres Gewerbe, als dex Frauendieb. Beide beſißen wenigſtens Scheu genug, ihrem Laſter im Winkel der Niedertraht zu fröhnen. Anders dex Schurke, welcher am hellen Tage der Gaſtfreundſchaft fre< in's Antliß ſchlägt. Jh kenne keine ſittenloſere Schandthat. Hätte ih über einen Mann zu richten, der dem Verführer ſeiner- Frau auf ſriſcher That eine Kugel dur<h den Kopf jagte, bei Gott, ih —“
Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. Il. 4