Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

50 Dex LTalisman des Weibes,

„Sie ſprächen ihn niht frei, dafür ſtehe ih!“ fiel Dreyſing hibig ein. „Wären Sie nicht überreizt, würde ich ausführen, daß in hundert ähnlihen Fällen der be= lvogene Ehegatte neunzigmal den dritten Theil der mo= raliſchen Allgemeinſchuld mitträgt, ſo oder fo.“

„Alſo bis in dieſe äußerſte Ee der Toleranz hinein heßt Sie Jhre blinde Voreingenommenheit ?“ fragte Mei= ſchi> vox Zorn exbleichend. „J<, der ih gegen meinen Willen gezwungen bin, ein ſo zartes Band wie das der Ehe zu entſchleiern, weil ih es zerreißen will, ih ſage Jhnen, daß mein gutes Gewiſſen wie ein Fels ähnliche Phantaſtereien überdauern wird. Wenn Sie no< hinzu= gefügt haben werden, daß i<h im Punkt der Ehre zu eng= Hexzigen Anſchauungen huldige und geſhmac{los genug bin, eine fo hochgeſtellte Vetterſchaft nicht hinreichend zu wür= digen, ſo haben Sie Alles geſagt, um mix die Haupkz, wenn nicht die Alleinſhuld an dieſem Bubenſtüc aufzu= bürden.“

„Sie ſind wieder zu {rof}, viel zu ſ{<hroff !“ rief Drey=

ſing ärgerlich, ſi<h ihm in den Weg ſtellend. „Schroff-

wie immer! An dieſem Stein des Anſtoßes 1ſt Jhre Gattin geſtrauchelt. Die Zeit wird's lehren. Freiberg's Neigung, glauben Sie mix, wurzelt zunächſt im Mitgefühl, von tauſend bunten Farben romantiſchen NRitterthums umſpielt. Es iſt mehr Donquixoterie, als Liebeswahnſinn !“

„Wenn das iſt, hoffe ih ihn ſo gründlich von dieſer Marotte zu heilen,“ lächelte der Amtsrichter ſpöttiſch, „daß ex na< meiner Kux feines zweiten Arztes mehr bedarf. Leben Sie wohl! Auf Wiederſehen |“

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