Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.
Roman von Georg Hartwig. 29
leiſe zu ſprechen, als gälte es eine wunde Stelle möglichſt ſanft zu bexühren. „J< entfloh einem widerrechtlichen Zwang in früher Wintermorgenſtunde. Es war mix wie im Traum zu Muthe. Hatte mich mein eigener Wunſch oder der Zufall nah der Reſidenz geführt, ih weiß cs heute, jebt in dieſer Stunde noh ni<t! Vas lähmende Gefühl überſtandener ſ{<werer Krankheit war jedenfalls verſchwunden, und freiheitzberauſcht näherte ih mich der Stätte meinex glülichen Kindheit. Weshalb ſollte ih nicht hoffen und der Kraft verlrauen, welche ſo lebendig mix im Buſen Troſt. einſprah? Jn den nächſten Stun-= den,“ fuhr Jrmengard ſpöttiſch fort, „hatte ih nun reich= liche Gelegenheit, Charafterſtudien zu machen. O Himmel, wie die ehemaligen Freunde meines Oheims ihre Zeit, ihre Mühe, ihre Börſen vox der Hilfeſuchenden verwahrten ! Aber gerade daran ſtählte ſih mein Muth, wenn auch heiße Thränen über dieſe erſte bittere Lehre floſſen. Ja, mein Optimiëmus iſt leider ſo hartnä>ig, daß ic ſelbſt heute no< von allen Menſchen am liebſten das Beſte glaube. Von Zhnen auh!“ ni>te ſie Freiberg ſchelz miſch zu.
„Frmengard, gib den fremden Lon gegen mi auf !“
„Still doh! J<h habe uo< ſo unendlich viel zu erz zählen, daß ih fürchte, wir tauſchen die Rollen des Wil= helm und der Marianne in Wilhelm Meiſter's Lehrjahren einmal um: ih plaudere, und Sie kämpfen mit dem Schlafe.“
Gleich varauf bereute die junge, unbedachte Frau das gefährliche Gleichniß, denn ſie ſah den Grafen auf's Neue