Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.
30 Der Talisman des Weibes.
ihr zu Füßen ſtürzen, indem er ihre Schulter heftig füßte.
Was Frmengard auch fühlen mochte, ſie richtete ſich ſtolz empor.
„Das iſt gegen die Abrede, Graf! J< glaubte mi in der Obhut meines künftigen Gemahls wohl geborgen. Noch eine ſolche Vergeßlichkeit, und der Schluß meiner Lebensgeſchichte dürfte: Jhnen verborgen bleiben !“
„Jh wax wahnſinnig,“ flüſterte er, fich verwirrt ex= hebend. „Warum beſchworſt Du dieſes Bild herauf ?“
Sie ſah thn mit glänzenden Augen ſtumm, aber vor= ivurfsvoll an, dann fuhr ſie in ihrer Erzählung fort.
„Jh beſchloß mein Malertalent auszubilden, und zwar in Dresden. Denken Sie, wel<! großartige Jdee, mit ebenſo viel Goldſtü>ken in der Taſche als Jahren auf dem Haupt — juſt zwanzig — allein und unbeſchüßt, Raphael's Nachfolger werden zu wollen! Natürlich ſ{<rumpften meine Rieſenerwartungen vor dem geſtrengen Blik des Meiſters zuſammen. Dußendwaare im beſten Fall! Von königlicher Freiſtelle keine Nede! Es gab freilich noch eine Möglichkeit, das Wohlwollen eines zweiten unver= heiratheten Direktionsmitgliedes zu erlangen, aber,“ ſie preßte die Zähne zuſammen und {lug die Wimpern nieder, „ih habe den Verſuch dazu uux einmal gemacht, der Preis wax mir zu hoch. An jenem Abend,“ fuhr Jrmengard mit unſicherer Stimme fort, „ſtieg der Haß gegen den Vergifter meiner Seelenruhe, gegen Hans Meiſchi>k, glühender denn je in mir empor. O, daß er Recht haben mußte, daß die thörichten, abſcheulichen Menſchen ihm die Macht in die