Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.
36 Der Talisman des Weibes.
„Selbſt wenn ich dieſes Opfer bringen wollte, ſo plöß= lich fönnte es nie geſchehen. Für ein ganzes Jahr binden mi<h Kontrakte, und wollte ih ſie löſen, ih bin nicht reich genug, die großen Summen zu zahlen.“
„Abex ih! Davon kein Wort! O Frmengard, wie magſt Du davon ſprechen !“ fiel ex ihr faſt zornig in die Rede.
Sie lehnte ihr Haupt an ſeine Schulter. Da war's um Freiberg!s Ueberlegung abermals geſchehen. Die ſchlanke Geſtalt des jungen Weibes zum erſten Mal am Herzen haltend, vergaß er momentan, was als unumſtößlicher Grundſaß, als halb eingeſtandener Widerwille gegen Jrmen= gard’s Beruf auf's Neue in ihm lebendig geworden war. Sie feſt und feſter an ſich ſ{ließend ließ er die Sehnſucht langer Jahre in einem glühenden Kuß auf Frmengard's Stirne ausſtrömen.
Sie entwand ſich ihm feuchten Auges. „Genug, Botho, gènug! J<< fühle mih ermattet — mir ward an Deiner Bruſt faſt bange. Morgen, morgen ſehen wir uns jvieder und alle Tage, mein theurer, treuer Freund !“
„Zu welcher Stunde finde ih Dich, Geliebte ?“
„So oft ih zu Hauſe bin, ſo oft findeſt Du mich an dieſer nämlichen Stelle. Wie viel habe ih Dich noch zu fragen, unbeſchreiblich viel! Für heute gute Nacht, Botho ! Gute Nacht!“
Sie drängte ihn anmuthig ſcherzend nah der Thüre.
„So träume wenigſtens von mir, wie auch meine Ge= danken nicht von Dix weichen werden ,“ flüſterte er mit einem leßten zitternden Dru> ihrer weißen Hand, und lautlos fiel der Vorhang hinter ihm zuſammen.