Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

170 Unter einem Dathe.

dur<hforſchte alle Fremdenliſten, ſie frug bei den Portiers und den Kellnern, ungeachtet der frechen, lächelnden Gez fichter, die über ihre Aufregung höhnten; aber nirgends var eine Spur des Geſuchten zu finden. Schon wollte ſie erſchöpft und entmuthigt die nußloſe Nachforſhung auf= geben und rang in Verzweiflung die Hände, ohne einen Ausweg zu finden, als ein guter Geiſt es ihr eingab, in einem ſtillen, meiſt von Engländern beſuchten Hotel garni nachzufragen. Ju der That: hier hatte Emiliens Gatte die Nacht zugebracht. Freilich, das Wort „abgereist“ klang auch ihr hier entgegen; aber ſie las doh deutli die Worte: „E. Strates aus New=York — kommt aus Tirol veist nah Frankfurt.“

Sie wußte, daß Frankfurt die Vaterſtadt des Barons ſei. Wie leiht war es möglich, daß er ſi dort einett Tag aufhielt, ehe er der Heimath auf üummex Lebewohl ſagte. Wenn es ihr gelänge, ihn dort zu erreichen! Sie fuhr zur Bahn. Sie gebot dem Kutſcher höchſte Eile. Sn dem Hotel war ihr geſagt worden, es ſeien nur no< wenige Minuten bis zur Abfahrt des nächſten Zuges. Und wirklich, als ſie athemlos an den Schalter ſtürzte, war derſelbe geſchloſſen. „Es werden keine Billets mehr ab-= gegeben, der Kurierzug verläßt in einer Minute die Halle.“ Deſſenungeachtet eilte ſie vorwärts, durch den Warteſaal in wilder Haſt hinaus auf den Perron, die glasbede>te große Halle entlang. Ju ihrer Aufregung und Uebex= müdung von dem Stunden langen Herumirren war es ihr, als läge alles Lebensglii> daran, daß ſie den Zug erreiche; ſie konnte nicht mehr denken und überlegen, nux die eine