Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

178 Unter einem Dache.

‘meinem einſamen, verbitterten Herzen feinen Bli> mehr gegönnt auf die Heimath, von der ih mi ausêgeſtoßen wähnte. Da kam dem Lebensmüden, der ſich lTosgelöst glaubte von allen Erinnerungen der Jugend, ein Tele= gramm: „Jhre Frau ſtirbt. Will Sie ſprechen. Eilen Sie. Jh kann nicht ſchildern, was ih bei diefen Worten empfand. Es wax ein wilder, namenloſer Schmerz, wie ih ihn nie gekannt, aber zugleih in dieſem Schmerz ein Ge=fühl des Erwachens aus tiefer Erſtarrung, als gehörte ih erſt wieder zu den Lebenden, da ih mit «ihnen leiden, fürchten, zittern mußte. So fuhr ih zurü> und fand die Entfernung endlos, die Stunden lang wie Ewigkeiten und hoffte in quälender Angſt, daß es nicht zu ſpät ſei, daß ich no< einmal Deine Augen ſehen dürfe. Verſtehſt Du nun den Freudentaumel, Geliebte, in dem ich dieſe ſonuigen, glänzenden, hellen Augen küßte, die räthſelhafte Botſchaft ſegne, die dieſe Löſung fand.“

„Böſer, geliebter Mann!“ ſagte Emilie, das blonde Haupt an ſeine Schulter lehnend. „Alſo nux ein ſterben= des Weib konnte Dich zurü>lo>en? Aber dieſe Botſchaft iſt wahrlich keine Lüge geweſen : ich wäre geſtorben, wenn Du mich ein zweites Mal verlaſſen hätteſt.“

Bertha war gleich am nächſten Morgen von Würzburg zurückgekehrt, hatte aber bei einer Bekannten Wohnung ge= nommen, um Emilie nicht wieder vox die Augen treten zu müſſen, ehe-deren Geſchi> ſich entſchieden; ſie hatte au<h Max= well gebeten, ſie nicht aufzuſuchen, ehe ex ihr die Bok= ſchaft von der Vereinigung der beiden Gatten bringen könne.