Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

460 | Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Kagzen.

des Raubtieres dargeſtellt. Dieſes hat man herbeigelo>t dur< ein als Köder dienendes Nind, deſſen Entſeßen der Künſtler in der naivſten Weiſe zum Ausdrue zu bringen geſucht hat, während eine noh zuſammengekoppelte Meute edler Windhunde des Augenbli>es harrt, von dem Fagdherrn losgelaſſen und zur Überwältigung des Löwen verwendet zu werden. Die andere Hälfte des großen Gemäldes zeigt uns einen {hwa<h bemähnten Sennar- oder Senegallöwen hinter Schloß und Riegel, in einem von mehreren Männern getragenen Käfig, zum Beweiſe, daß die Jagd geglückt, oder daß man ſchon in jener frühen Zeit im ſtande war, das gewaltige Raubtier einzufangen. Doch dies nicht allein: die alten Ägypter verſtanden nicht bloß den Gepard, ſondern ſogar den Löwen zu zähmen und ihn zur Jagd ſich dienſtbar zu machen. Auf vielen Vildern ſehen wir den Herrſcher, wie ex mit Speer und Lanze der Tiere König entgegentritt und vernehmen, daß Amenophis TIL. ſi< rühmt, in den erſten 10 Jahren ſeiner Regierung niht weniger als 110 Löwen erlegt zu haben; auf anderen finden wir Darſtellungen des Königs und eines Löwen, welcher gemeinſchaftlich mit ihm gegen die andringenden Feinde kämpft. So z. B. iſt der König Ramſes der Große in den nubiſchen Felſentempeln von Derr und Abu Simbal abgebildet in Begleitung eines ihm zur Seite kämpfenden Löwen, und die über leßteren zur Erläuterung des Bildes dienende hieroglyphiſhe Jnſhrift lautet: „Der Löwe, Begleiter Seiner Majeſtät, reißt in Stücke ſeine Feinde.“ Die Bibel erwähnt den Löwen an vielen Stellen, und die Hebräer haben eine ganze Anzahl Namen für ihn. Griechen und Römer erzählen ſehr ausführlich von dem königlichen Tiere und berihten dobei eine Maſſe von Märchen mit. Des Löwen Knochen ſollen ſo hart ſein, daß ſie Feuer geben; er ſoll die kleinen Tiere verachten, die Weiber ſchonen 2c.; die ſtarke und grauſame Löwin ſoll nur ein einziges Junges in ihrem ganzen Leben werfen, weil dasſelbe mit ſeinen ſcharfen Krallen den Tragſa> zerreiße, genau wie es der Viper auch gehe. Ariſtoteles weiß, daß die Löwin mehrmals Junge wirft, und daß die jungen Löwen ſehr klein ſind und erſt im zweiten Monate gehen können, weiß ſogar, daß es zwei Arten Löwen gibt: kürzere mit krauſerer Mähne, welche die furhtſameren, und längere mit dichterer Mähne, welche die ſtärkeren ſind. Plinius ſagt, daß die jungen Löwen anfänglih unförmliche Fleiſhklumpen ſeien, niht größer als ein Wieſel, daß ſie nah 2 Monaten kaum fi<h rühren könnten und erſt na< dem ſe<ſten gehen lernten. Sie tränken ſelten, fräßen nur einen Tag um den anderen und fönnten dann wohl 3 Tage faſten, verſhlängen alles ganz und zögen das, was der Magen niht faſſen könne, mit den Klauen wieder aus dem Rachen, um nötigen Falls entfliehen zu können. Unter allen reißenden Tieren ſei der Löwe allein gnädig gegen Bittende, verſchone die, welche ſih vor ihm niederwerfen, und ließe ſeinen Grimm mehr gegen die Männer als gegen die Weiber, gegen die Kinder nur beim ärgſten Hunger aus. Fn Libyen glaube man, daß er das Bitten verſtehe; denn eine gefangene Frau erzählte, ſie ſei von vielen Löwen angefallen worden, habe ſie aber alle dur< Zureden beſänftigt und immer geſagt, daß ſie nur eine Frau wäre, flüchtig und krank, eine BVittende vor dem Großmütigſten, über alle übrigen Tiere Befehlenden, eine Beute, welche ſeines Ruhmes nicht würdig wäre: da habe ſie der Löwe gehen laſſen. Den erſten Löwenkampf gab der Ädil Scävola, einen zweiten der Diktator Sulla. Dieſer hatte ſhon 100 Löwen, Pompejus ließ aber 600 und Julius Cäſar wenigſtens 400 kämpfen. Der Fang war früher eine böſe Arbeit und geſhah meiſtens in Gruben. Unter Claudius aber entde>te ein Hirt dur< Zufall ein leichtes Mittel, den Löwen zu ſangen. Er warf ihm ſeinen No> über den Kopf, und der Löwe wurde hierdurch ſo verblüfft, daß er ſich ruhig fangen ließ. Jm Zirkus wurde dieſes Mittel dann oft angewendet. M. Antonius fuhr nah der pharſaliſhen Schlacht mit einer Schauſpielerin dur die Stadt in einem Wagen, welchen Löwen zogen. Hanno, der uns ſchon bekannte Karthager, war der erſte, welcher einen gezähmten Löwen mit ſeinen Händen regierte. Er wurde deshalb