Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

490 Vierte Drdnung: Naubtiere; erſte Familie: Kaßen.

Jn der Provinz St. Louis und in der Sierra von Mendoza ſah A. Göring auf den Umzäunungen, in welche des Nachts die Weidetiere getrieben werden, viele Pumaköpfe aufgeſpießt. Er erfuhr, daß man dieſe Siegeszeichen hier aufſte>e um andere Pumas von dem Beſuche der Hürden abzuhalten, gerade ſo, wie man in früheren Zeiten die Köpfe der gerichteten Verbrecher vor die Thore der Stadt, innerhalb deren Weichbildes ſie den Lohn ihrer Sünden empfangen, zu pflanzen pflegte. Die Beſißer der Pumaköpfe hielten dieſelben außerordentlih wert und erlaubten Göring nicht, einen von dem Pfahle herabzunehmen. Jene Leute haben den ſonderbaren Aberglauben, daß der Puma ſicherlich eine Herde überfällt, welche niht dur< den Kopf eines ſeiner Artgenoſſen gefeit wurde.

Alt eingefangene Kuguars verſchmähen zuweilen das Futter und opfern ſich freiwillig dem Hungertode; ſehr jung eingefangene dagegen werden bald und rühaltlos zahm. Rengger verſiert, daß man den Puma zum Haustiere machen könne, wenn ihn nicht hin und wieder die Luſt anwandele, ſeine Blutgier an dem zahmen Geflügel auszulaſſen. Man zieht ihn mit Milch und gekochtem Fleiſche auf; Pflanzennahrung iſt ihm zuwider und muß wenigſtens mit Fleiſhbrühe geko<ht werden, wenn er ſie genießen ſoll; auc erkrankt er bald, wenn man ihm kein Fleiſch gibt. Warmes Blut, ſeine Lieblingsſpeiſe, kann ex, wie unſer Gewährsmann ſagt, in Mengen von 2!/2—8 kg auf einmal ohne Nachteil trinken. Das rohe Fleiſch bele>t er, wie viele Katen es thun, bevor er es verzehrt; beim Freſſen hält er, wie unſere Hauskate, den Kopf auf die Seite. Nach der Mahlzeit le>t er ſih zunächſt die Pfoten und einen Teil des Leibes; dann legt er ſih ſ<lafen und bringt ſo einige Stunden des Tages zu. Man muß dem gefangenen Kuguar viele Flüſſigkeiten reihen, beſonders im Sommer, weil ihm Blut das Waſſer nicht gänzlich exſegen kann und er auch, wenn ex durſtig iſt, weit eher unter dem zahmen Federvieh Schaden anrichtet, als wenn man ihn reihlic<h mit Waſſer verſorgt. Ex lernt ſeine Hausgenoſſen, ſowohl Menſchen als Tiere, nah und nach kennen und fügt ihnen keinen Schaden zu. Mit Hunden und Kagzen lebt und verträgt er ſih gut und gaukelt mit ihnen; dagegen iſt er niemals im ſtande, der Luſt zu widerſtehen, Federvieh aller Arten anzugreifen und abzuwürgen. Nach Kagenart ſpielt er oft ſtundenlang mit beweglichen Gegenſtänden, zumal mit Kugeln.

Manche Kuguare läßt man frei im ganzen Hauſe herumlaufen. Sie ſuchen ihren Wärter auf, ſchmiegen ſi<h an ihn, bele>en ihm die Hände und legen ſi ihm zärtlich zu Füßen. Wenn man ſie ſtreichelt, ſhnurren ſie in ähnlicher Weiſe wie Kaßen. Dies thun ſie wohl auh ſonſt, wenn ſie ſih_ re<ht behagli<h fühlen. Fhre Furcht geben ſie durc eine Art von Schnäuzen, ihren Unwillen dur einen murrenden Laut zu erkennen; ein Gebrüll hat man niemals von ihnen vernommen. Daß ſie abex in der Wildnis gelegentlich ret laut werden, geht aus der auf eine Anfrage erfolgten Mitteilung von A. Göring hervor, der jahrelang in Gebieten reiſte, wo der Kuguaxr heimiſch iſt. Göring ſchreibt: „Der Puma mat ſich ſehr bemerkbar, und ih erinnere mich lebhaft der Nächte, welche ih in den Kordilleren, weſtli<h von Mendoza, zubrachte, daß wenigſtens ihrer zehn von allen Richtungen hex einen Lärm vollführten, welcher uns kaum ſchlafen ließ. Gewöhnlich iſt der Ton des Puma ein kurzes „U-U‘ wenn ex im Gebüſche herumſchleiht, und weil dieſem „U-U“ der Lo>kruf einer Sägera>te (Momotus) ähnelt, nennen die Eingeborenen dieſen Vogel Pajaro lion.“

Zwei von mir gepflegte Pumas begrüßten ihre Bekannten ſtets dur ein niht allzulautes, aber ſcharfes und dabei kurz au8geſtoßenes Pfeifen, wie ih es von anderen Katen nie hörte. Nur dur< eins wird der zahme Kuguar unangenehm. Er pflegt ſi<h, wenn er ſeinen Herrn erſt liebgewonnen hat und gern mit ihm ſpielt, bei ſeiner Annäherung zu verſte>en und ſpringt dann unverſehens auf ihn los, gerade ſo, wie zahme Löwen auch zu thun pflegen. Man kann ſih leiht denken, wie ungemütlih ſolche zu unre<hter Zeit angebrachte Zärtlichkeit manhmal werden kann. Zudem gebraucht der Kuguax, wenngleich