Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hörfähigkeit. Geſicht. 19

und dergleichen ereignet ſi< in Afrika oft, ſo näherte er ſih dem Störer, gewann ihm die Kehrſeite ab und rannte ihn kunſtgerecht in kurzem Anlaufe nieder. Ein merkwürdiger Muſikliebhaber war ein ſtattliher Pelikan, der in Säo Paulo de Loanda wohlbekannt und auch gefüttert ſich ſowohl in der Stadt als auch an der nahen Bai aufhielt. Wenn des Abends das Orcheſter ſpielte, erſchien er unbekümmert zwiſchen den Luſtwandelnden auf der Promenade und hörte gravitätiſh umherſpazierend der Muſik zu.

Übrigens läßt ſi über die wirkliche Schärfe des Gehörsſinns nichts Beſtimmtes ſagen. Wir ſind nur im ſtande, bei den einzelnen Tieren von bezügliher Schärfe zu reden; die Höhe der Entwickelung des Sinnes läßt ſi<h niht meſſen. Daß ſehr viele Säuger noch Geräuſche hören, welche wir durhaus niht mehr wahrnehmen können, iſt ſicher: wie weit die? aber geht, wiſſen wir niht. Es ſteht wohl feſt, daß eine Kaße wie die Cule das Geräuſch, welches eine Maus beim Laufen verurſacht, vernimmt; allein wir vermögen niht zu beſtimmen, auf wel<he Entfernung hin ſie die leiſen Fußtritte noh vom Nafſcheln des Windes unterſcheiden können. Die großohrige Fledermaus hört wahrſcheinlich das Fluggeräuſch kleiner Shmetterlinge, von deren Bewegung wir entſchieden nichts mehr dur den Gehörsſinn wahrnehmen können, der Wüſtenfuchs vielleicht das Krabbeln eines Käfers im Sande noch auf ein gutes Stü>; unſer Fuchs läßt ſi<h dur< Nachahmen des Mäuſegezwitſchers vom Jäger im Freien auf ziemliche Entfernung reizen. Das Wild vernimmt den Schall der Fußtritte des Jägers auf 100, vielleicht 200 Schritt: alle dieſe Angaben aber beweiſen gar nichts und gewähren uns keinen Anhalt zu genauer Beſtimmung.

Der Geſichtsſinn der Säugetiere erreiht wahrſcheinlih nie dieſelbe Schärfe wie der Geruch und das Gehör. Daß alle Säuger hinſichtlih des Sehens von den Vögeln übertroffen werden, habe ih bereits erwähnt, bis zu welhem Grade aber, dürfte ſhwer zu ſagen ſein, da wir auch hierin wirkliche Beobachtungen nur an uns ſelbſt machen können. Überdies erkennen ſie ihren Feind ſelbſt in der Nähe kaum, wenn er ſih niht bewegt, niht die Augen wendet. Es iſt wohl anzunehmen, daß von den Tagſäugern kaum einer den Menſchen in der Entwi>telung ſeines Auges und der damit verbundenen Sehſchärfe überbietet; wenigſtens kenne ih feine Beobachtungen, welche dem widerſprächen. Anders verhält es ſi bei den Nahttieren, alſo faſt allen Räubern, einigen Affen, allen Halbaffen, den Flattertieren, mehreren Nagern und anderen. Sie beſißen entweder ſehr entwi>elte oder aber auh ſehr verkümmerte Augen. Die wahren Raubtiere haben unſtreitig das ſ<härſſte Geſicht unter allen Säugern; ihre Augen ſind auh ſo empfänglih für die Einwirkung des Lichtes, daß ſhon gewöhnliches Tageslicht wenigſtens vielen äußerſt unangenehm wird. Das Raubtierauge beſit daher viel innere Beweglichkeit; dieſe iſt aber feine willfürlihe wie bei den Vögeln, ſondern eine unwillkürliche, welche mit der größeren oder geringeren Helle genau im Einflange ſteht. Unſere Hauskate zeigt uns deutlich, wie das Licht auf ihr Auge wirkt: dieſes ſchließt ſih bei Tage dergeſtalt, daß der Stern nur wie ein ſ<hmaler Strich erſcheint, während es mit der Dunkelheit verhältnismäßig ſih ausdehnt. Sie beſtätigt alſo auh hinſichtlih des Geſichtes die Wahrheit daß nur ein mittelmäßig entwi>elter Sinn ſtärkere Reize vertragen kann. Als Regel darf gelten, daß alle Säuger, welche runde Augenſterne befißen, Tagtiere ſind oder bei Tage und bei Nacht verhältnismäßig gleih ſ{<harf ſehen, während diejenigen, deren Stern ſpaltartig erſcheint, erſt mit der Dämmerung die volle Schärfe ihres Sinnes benugen können.

Merkwürdig erſcheint die in der höchſten Klaſſe einige Male vorkommende Verkümmerung der Augen, welche vollkommene Blindheit bedingen kann, wie beim Blindmoll. Das Auge fehlt, ſoviel bis jetzt bekannt, keinem Säugetiere: unſer Maulwurf, welcher oft genug mit ſeinem „blinden“ Bruder verwechſelt worden iſt, beſißt ſhon ein ziemlih ſehfähiges Auge, und deshalb enthalten die {<önen Worte unſeres Rückert die volle Wahrheit:

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