Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 523

Wüſtenſpringmaus: Beobachtungen an gefangenen. 483

Dabei ſchwingt ſie ſi< ohne den geringſten Anſaß dur< bloßes Aufſchnellen ihrer Hinterbeine fußho<h und no< mehr empor. Als ich eine bei ihren Nachtwandlungen durch eine plößliche Bewegung erſhre>te, ſprang ſie ſenkre<ht über 1 m in die Höhe. Wenn man ſie auf den Tiſch ſeßt, läuft ſie raſtlos umher und ſieht ſorgſam prüfend in die Tiefe hinab, um ſih die beſte Stelle zum Herunterſpringen auszuwählen. Kommt ſie an die Kante, ſo ſtemmt ſie ſi mit ihren beiden Vorderarmen auf, ſonſt aber nie. Die Angabe, daß ſie bei jedem Sprunge einen Augenbli> auf die Vorderfüße niederfalle und ſih dann ſchnell wieder aufrihte, iſ falſ<h. Sie kommt, ſelbſt wenn ſie aus Höhen von 1 m und mehr zu Boden ſpringt, immer auf die Hinterfüße zu ſtehen und läuft dann, ohne ſih nur nah vorn zu büden, ſo ruhig weiter, als habe ſie bloß einen gewöhnlichen Schritt gemacht. Stehend kann ſie, dank der ſtarken Hinterläufe und des ſtüßenden Schwanzes, ihren Leib ebenſowohl wagereht wie ſenkre<t halten, vermag ſih au< vorn bis auf die Erde niederzubeugen. Wie wichtig ihr der Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichtes iſt, ſieht man deutlich, wenn man ſie in der Hand hält und raſh herumdreht, ſo daß ſie mit dem Rü>en nah unten zu liegen kommt. Dann beſchreibt ſie ſofort Kreiſe mit dem Shwanze, ſicher in der Abſicht, ihren Leib wieder herumzuwerfen.

Beim Freſſen ſett ſie ſi<h auf die ganzen Fußſohlen nieder, biegt aber den Leib vorn weit herab und nimmt nun die Nahrung mit einem raſchen Griffe vom Boden auf. Aus einem Näpfchen mit Weizenkörnern holt ſie ſich in jeder Minute mehrere Körner. Sie verzehrt die erhobenen aber niht ganz, ſondern beißt bloß ein kleines Stükchen von ihnen ab und läßt ſie dann wieder fallen. Jn einer Nacht nagt ſie man<hmal 50—100 Körner an. Allerliebſt ſieht es aus, wenn man ihr eine Weinbeere oder ein Stückchen fein geſchnittene Möhre, Apfel und dergleihen Früchte hingibt. Sie pat ſolche Nahrung ſehr zierlih mit den Händen, dreht ſie beſtändig hin und her und frißt ſie auf, ohne ſie fallen zu laſſen. Bei weichen, ſaftigen Früchten, wie z. B. bei Weinbeeren, braucht ſie ſehr lange Zeit, ehe ſie mit ihrer Mahlzeit zu Ende kommt. An einer Weinbeere fraß eine Gefangene von mir 7 Minuten lang. Sie öffnet die Beere bloß mit einem einzigen Viſſe und taucht in dieſe Öffnung fort und fort ihre unteren Nagezähne ein, um ſie ſodann wieder abzule>en. So fährt ſie fort, bis der größte Teil des Jnhaltes entleert iſt. Ein Kohlblatt nimmt ſie mit beiden Händen, dreht es hin und her und ſchneidet dann am Rande in zierlicher Weiſe StückGen na< Stückchen ab. Beſonders hübſch iſt auch ihre Weiſe, Milch zu trinken. Sie bedarf nur höchſt wenig Getränk, und kann ſolches, falls man ihr nebenbei ſaftige Wurzeln reicht, monatelang entbehren; tägli<h ein halber Theelöffel voll Milch genügt ihr. Auch Flüſſigkeiten muß ſie mit den Händen zu ſih nehmen, taut daher in raſcher Folge ihre Hände ein und le>t die Milch dann ab. Sie iſt mäßig, braucht aber viele Nahrung, weil ſie von jedem Nährſtoffe nur wenig frißt. Jhre Loſung ähnelt der mancher Mäuſe. Jhr Harn hinterläßt keinen übeln Geruch; ſeine Menge iſt dazu auch viel zu gering. Jm Sande bemert man überhaupt nihts von den natürlichen Ausleerungen des Tieres.

Es ſcheint, daß alle Sinne des Tieres hoch entwi>elt ſind. Welchen unter den drei edleren ih als den höchſten anſehen ſoll, weiß ih niht. Die Springmaus ſieht und hört, wie die großen Augen und Dhren bekunden, ſehr gut, rieht und fühlt aber auch fein. Denn wenn ſie ein Korn oder ein Stückchen Möhre oder andere Nahrung zu Boden fallen läßt, ſucht ſie es immer vermittelſt des Geruches, vielleiht auch der taſtenden Schnurrhaare, und nimmt es dann mit größter Sicherheit wieder auf. Süße Früchte verzehrt ſie mit ſo vielem Vergnügen, daß man gar nit in Zweifel bleiben kann, wie angenehm ihr Geſchma>sſinn gektißelt wird. Das Gefühl offenbart ſih als Empfindung und Taſtſinn in jeder Weiſe. Die Springmaus taſtet ſehr fein mit den Schnurren auf den Lippen und dann noch mit ihren Vorderhänden, hauptſächlih wohl mit Hilfe der Fingerkrallen. Jhre geiſtigen Fähigkeiten

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