Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 531
Allgemeines 1 491
Ebenen gewähren ihnen noh die Möglichkeit zu leben. Einige meiden die Nähe menſ<hli<her Anſiedelungen, andere drängen ſi< dem Menſchen als ungebetene Gäſte auf und folgen ihm überall hin, wo er neue Wohnorte gründet, ſelbſt über das Meer. Sie bevölkern Haus und Hof, Scheuer und Stall Garten und Feld, Wieſe und Wald, allerorten mit gefräßigem Zahne Schaden und Unheil anrihtend. Nur die wenigſten leben einzeln oder paarweiſe, die meiſten lieben die Geſelligkeit, und manche Arten wachſen zuweilen zu ungeheuern Scharen an. Bei faſt allen iſt die Vermehrung eine ganz außerordentliche; denn die Anzahl der Jungen eines einzigen Wurfes {wankt zwiſchen 6 und 21, und die allermeiſten pflanzen ſih mehrmals im Jahre, ja ſelbſt im Winter fort.
Die Mäuſe ſind in jeder Weiſe geeignet, den Menſchen zu plagen und zu quälen, und ihre Eigenſchaften ſcheinen ſie beſonders hierzu zu befähigen. Gewandt und behende in ihren Bewegungen , können ſie vortreffli<h laufen, ſpringen, Élettern, ſchwimmen, verſtehen es, ſi dur die engſten Öffnungen zu zwängen oder, wenn ſie keine Zugänge finden, mit ihrem ſcharfen Gebiſſe ſolche Wege zu eröffnen. Sie ſind ziemlich lug und vorſichtig, ebenſo
Gerippe der Wanderratte. (Aus dem Berliner anatomiſhen Muſeum.)
aber auch dreiſt, fre<, unverſchämt, liſtig und mutig, ihre Sinne durhgehends fein, obſchon Geruch und Gehör die übrigen bei weitem übertreffen. Fhre Nahrung beſteht aus allen eßbaren Stoffen des Pflanzen- und Tierreihs. Samen, Früchte, Wurzeln, Rinde, Kräuter, Gras, Blüten, welche ihre natürlihe Nahrung bilden, werden niht minder gern von ihnen verzehrt als Kerbtiere, Fleiſch, Fett, Blut und Milch, Butter und Käſe, Haut und Knochen, und was ſie nit freſſen können, zernagen und zerbeißen ſie wenigſtens, ſo Papier und Holz. Waſſer trinken ſie im allgemeinen nur ſelten: dagegen ſind ſie äußerſt lüſtern auf alle nahrungsreicheren Flüſſigkeiten und verſtehen es, ſich dieſer in der liſtigſten Weiſe zu bemächtigen. Dabei verwüſten ſie regelmäßig weit mehr, als ſie verzehren, und werden hierdur zu den allerunangenehmſten Feinden des Menſchen, welche notwendigerweiſe deſſen ganzen Haß heraufbeſhwören und ſogar die Grauſamkeiten, welche er ſi bei ihrer Vertilgung zu ſ<hulden kommen läßt, wenn auch nicht verzeihlih, ſo doh erflärlih machen. Nur ſehr wenige ſind harmloſe, unſchädliche Tiere, und haben wegen ihrer zierlichen Geſtalt, der Anmut ihrer Bewegungen und ihres anſprechenden Weſens Gnade vor unſeren Augen gefunden. Hierher gehören namentli<h au< die Baukünſtler unter dieſer Familie, welche die kunſtreichſten Neſter unter allen Säugetieren überhaupt anlegen und durch ihre geringe Anzahl und den unbedeutenden Nahrungsverbrauch wenig läſtig werden, während andere, welche in ihrer Weiſe auh Baukünſtler ſind und ſich größere oder kleinere Höhlen anlegen, ſih gerade hierdur< verhaßt machen. Einige Arten, welche die kälteren und gemäßigten Gegenden bewohnen, halten einen Winterſchlaf und tragen vorher Nahrungsvorräte ein;