Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 538

498 Siebente Ordnung: Nager; fünfte Familie: Mäuſe,

meſſenden Schwanzes 42 ecm lang, und ihre Färbung auf der Ober- und Unterſeite des Leibes verſchieden. Der Oberteil des Körpers und Schwanzes iſt bräunlichgrau, die Unterſeite ſcharf abgeſeßt grauweiß, die Mittellinie des Rückens gewöhnlich etwas dunkler als die Seite des Leibes, welche mehr ins Gelblichgraue ſpielt. Der Haargrund iſt oben braungrau, unten lichter, meiſt blaßgrau. Der Schwanz hat etwa 210 Schhuppenringe. Zuweilen finden ſi<h auf der Oberſeite der Vorderfüße bräunliche Härchen; au< fommen Shwärzlinge, Weißlinge mit roten Augen, Falbe und Sche>en vor. Leßtere ſind entweder {warzweiß oder grauweiß, und faſt immer ſind bei ihnen Kopf, Hals, Schulter und Vorderbeine nebſt einem breiteren oder ſhmäleren Nückenſtreifen ſ<hwarz oder grau, die übrigen Teile weiß gefärbt.

Mit großer Wahrſcheinlichkeit läßt ſich annehmen, daß die Wanderratte aus Aſien, und zwar aus Indien oder Perſien, zu uns gekommen iſt. Möglicherweiſe hat bereits Aelian ihrer gedacht, indem er erzählt, daß die kaſpiſhe Maus zu gewiſſen Zeiten in unendlicher Menge einwandere, ohne Furt über die Flüſſe ſ<hwimme und ſi< dabei mit dem Maule an den Shwanz der vorderen halte. „Kommen ſie auf die Felder“, ſagt er, „ſo fällen ſie das Getreide und klettern auf die Bäume nach den Früchten, werden aber häufig von Raubvögeln, welche wie Wolken herbeifliegen, und von der Menge der dortigen Füchſe vertilgt. Sie geben in der Größe dem Fhneumon ni<hts nach, ſind ſehr wild und biſſig und haben ſo ſtarke Zähne, daß ſie damit ſelbſt Eiſen zernagen können, wie die Mäuſe Canautanes bei Babylon, deren zarte Felle na< Perſien geführt werden und zum Füttern der Kleider dienen.“ Erſt Pallas beſchreibt die Wanderratte mit Sicherheit als europäiſches Tier und berichtet, daß ſie im Herbſte 1727 nah einem Erdbeben in großen Maſſen aus den faſpiſchen Ländern in Europa eingerü>t ſei; in Turkmenien war ſie, laut A. Walter, niht heimiſch und fehlte im vorigen Fahrzehnte noh in Askabad und Merw, wohin ſie nun wohl die ruſſiſhe Bahn verſ<hleppt haben wird. Damals ſette ſie bei Aſtrachan in großen Haufen über die Wolga und verbreitete ſih von hier raſh na< Weſten hin. Faſt zu derſelben Zeit, im Jahre 1732 nämlih, wurde ſie auf Schiffen von Oſtindien aus na< England ver\{leppt, und nunmehr begann ſie auh von hier aus ihre Weltwanderung. Fn Oſtpreußen erſchien ſie im Jahre 1750, in Paris bereits 1753, in Deutſchland war ſie ſhon 1780 überall häufig; in der Shweiz kennt man ſie erſt ſeit dem Fahre 1809 und in Dänemark ungefähr ſeit der nämlichen Zeit als einheimiſhes Tier. Fm Fahre 1755 wurde ſie nah Nordamerika verſchleppt und erlangte hier ebenfalls in kürzeſter Zeit eine unglaublih große Verbreitung; doh war ſie im Jahre 1825 no< niht weit über Kingston hinaus in Oberkanada vorgedrungen, und im vorigen Jahrzehnt hatte ſie den oberen Miſſouri noh niht erreiht. So viel aber ſteht feſt, daß ſie gegenwärtig auh über alle Teile des großen Weltmeeres verbreitet und ſelbſt auf den ödeſten und einfamſten Fnſeln zu finden iſt. Größer und ſtärker als die Hausratte, bemächtigt ſie ſi< überall der Orte, wo dieſe früher ruhig lebte, und nimmt in demſelben Grade zu, wie jene abnimmt. Glaubwürdige Beobachter verſichern, daß ſie noh gegenwärtig zuweilen in Scharen von einem Orte zum anderen zieht. „Mein Schwager“, ſchreibt mir Helms, „traf einmal an einem frühen Herbſtmorgen im Vördenſchen einen ſolchen wandernden Zug, den er auf mehrere tauſend Stü>k ſhäßen mußte.“

Jn der Lebensweiſe, in den Sitten und Gewohnheiten, im Vorkommen 2c. ſtimmen beide Natten ſo ſehr überein, daß man die eine ſchildert, indem man die andere beſchreibt. Wenn man feſthalten will, daß die Wanderratte mehr in den unteren Räumlichkeiten der Gebäude und namentli<h in feuhten Kellern und Gewölben, Abzugsgräben, Schleuſen, Senkgruben, Fleeten und an Flußufern ſih eingeniſtet hat, während die Hausratte den oberen Teil des Hauſes, die Kornböden, Dachkammern 2c., vorzieht, wird niht viel mehr