Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 539
Haus- und Wandervatte: Ausbreitung. Leben8weije. 499
übrigbleiben, was beiden Arten niht gemeinſam wäre. Die eine wie die andere Art dieſes Ungeziefers bewohnt alle nur möglichen Näumlichkeiten der menſhlihen Wohnungen und alle nur denkbaren Orte, welhe Nahrung verſprechen. Vom Keller an bis zum Dachboden hinauf, vom Prunkzimmer an bis zum Abtritte, vom Palaſte an bis zur Hütte, überall ſind ſie zu finden. An den unſauberſten Orten niſten ſie ſih ebenſo gern ein wie da, wo ſie ſich erſt dur< ihren eigenen Shmußg einen zuſagenden Wohnort ſchaffen müſſen, furzum, ſie hauſen da, wo immer ſie nur leben können, obſchon die Hausratte ihrem Namen immer no< Ehre zu machen ſucht und ſi< möglichſt wenig von der eigentlichen Wohnung der Menſchen entfernt. Ausgerüſtet mit allen Begabungen in leiblicher und geiſtiger Hinſicht, welche ſie zu Feinden des Menſchen machen können, hören ſie niht auf, dieſen zu quälen, zu plagen, zu peinigen und ihm ohne Unterbrehung Schaden zuzufügen. Gegen ſie ſhüßt weder Hag no< Mauer, weder Thür no< Schloß: wo ſie feinen Weg haben, bahnen ſie ſi einen; dur die ſtärkſten Eichenbohlen und dur di>e Mauern nagen und wühlen ſie ſich Gänge. Nur wenn man die Grundmauern tief einſenkt in die Erde, mit feſtem Zement alle Fugen zwiſchen den Steinen ausſtreiht und vielleicht zur Vorſorge noh zwiſchen dem Gemäuer eine Schicht von Glasſcherben einfügt, iſt man vor ihnen ziemlih ſicher. Aber wehe dem vorher geſhüßten Raume, wenn ein Stein in der Mauer lo>er wird, denn nun halten ſie ihren Einzug.
Und dieſes Zerſtören der Wohnungen, dieſes abſcheuliche Zernagen und Durchwühlen der Wände iſ doch das geringſte Unheil, welches die Ratten anrichten. Weit größeren Schaden verurſachen ſie dur ihre Ernährung. Jhnen iſt alles Genießbare re<t. Der Menſch ißt nichts, was die Ratten niht auh fräßen, und niht beim Eſſen bleibt es, ſondern es geht auh an das, was der Menſch trinkt. Es fehlt bloß noch, daß ſie ſih in Schnaps berauſchten, dann würden ſie ſämtlihe Nahrungs- und Genußmittel, welche das menſchliche Geſc<le<t verbraucht, aufzehren helfen. Nicht zuſrieden mit dem ſchon ſo reichhaltigen Speiſezettel, fallen die Ratten ebenſo gierig über andere Stoffe, zumal auch über lebende Weſen her. Die ſ{<mußgigſten Abfälle des menſchlihen Haushaltes ſind ihnen unter Umſtänden no< immer ret; verfaulendes Aas findet an ihnen Liebhaber. Sie freſſen Leder und Horn, Körner und Baumrinde oder, beſſer geſagt, alle nur denkbaren Pflanzenſtoffe, und was ſie nicht freſſen können, zernagen ſie wenigſtens; Zuckerrohr: und Kaffeepflanzungen ſchädigen ſie manhmal in bedenklichſter Weiſe. Es ſind auch verbürgte Beiſpiele bekannt, daß ſie kleine Kinder bei lebendigem Leibe angefreſſen haben, und jeder größere Gutsbeſißer hat erfahren, wie arg ſie ſeinen Hoſtieren nachſtellen. Sehr fetten Schweinen freſſen ſie Löcher in den Leib, dicht zuſammengeſchichteten Gänſen die Schwimmhäute zwiſchen den Zehen weg, junge Enten ziehen ſie ins Waſſer und erſäufen ſie dort, dem Tierhändler Hagenbe> töteten ſie drei junge afrikaniſche Elefanten, indem ſie dieſen gewaltigen Tieren die Fußſohlen zernagten.
Wenn ſie ſi<h mehr als gewöhnlih an einem Orte vermehren, iſt es wahrhaftig kaum zum Aushalten. Und es gibt ſolche Orte, wo ſie in einer Menge auftreten, von welcher wix uns faum einen Begriff machen können. Jn Paris erſhlug man während 4 Wochen in einem einzigen Shlachthauſe 16,000 Stück, und in einer Abde>erei in der Nähe Dieſer Hauptſtadt verzehrten ſie binnen einer einzigen Nacht 35 Pferdeleihen bis auf die Knochen. Sobald fie merken, daß der Menſch ihnen gegenüber ohnmächtig iſt, nimmt ihre Frechheit in wahrhaft erſtaunlicher Weiſe zu; und wenn man ſih niht halb zu Tode ärgern möchte über die Tiere, könnte man verſucht ſein, über ihre alles Maß überſchreitende Unverſchämtheit zu lachen. Las Caſes erzählt, daß Napoleon am 27. Funi 1816 nebſt ſeinen Gefährten ohne Frühſtück bleiben mußte, weil die Ratten in der vergangenen Naht in die Küche eingedrungen waren und alles fortgeſhleppt hatten. Sie waren dort in großer Menge
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