Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 540

500 Siebente Ordnung: Nager; fünfte Familie: Mäuſe.

vorhanden, ſehr böſe und außerordentlih unverſhämt. Gewöhnlich brauchten ſie nur wenige Tage, um die Mauern und Bretterwände der einfahen Wohnung des Kaiſers zu durhnagen. Während der Mahlzeit Napoleons kamen ſie in den Saal, und nah dem Eſſen wurde förmlih Krieg mit ihnen geführt. Man mußte auch darauf verzichten, Federvieh zu halten, weil die Ratten es wegſraßen; ſie holten das Geflügel nachts ſogar von den Bäumen herunter, auf welchen es ſchlief. Jn den Faktoreien an fernen Küſten, wo allenthalben mit den Tauſchwaren auch die Wanderratten landen, ſind ſie eine überaus läſtige Plage und ſtiften oft ernſtlihen Schaden. Alle Reiſenden und beſonders Sammler haben zu klagen, wie viele oft ſehr ſeltene und mühſam erlangte Gegenſtände dieſe Quälgeiſter vernichten, und wie ſehr ſie dur ihre wüſten Beißereien und Heßjagden am Boden, an den Wänden und auf den Dächern die Nachtruhe ſtören. „Quaſtenſtachhler (Atherura africana) und Schuppentiere (Manis longicaudata)“/ \ſ<reibt Pehuel-Loeſche von Tſchintſhotſho, „ſind uns nur einige Male lebend gebracht worden, fielen aber ſogleih den Ratten zum Opfer. Dieſe ſchlimmen Gäſte hatten ſi< in bedrohlicher Menge bei uns eingeniſtet und fügten trog aller angewendeten Vorſicht8maßregeln unſerer Habe und unſeren Sammlungen immer wieder Schaden zu. Wir konnten uns ihrer nicht erwehren, weil wir, gleih den Eingeborenen, zu ebener Erde in Schilfbara>ken wohnten und uns die Verhältniſſe nicht geſtatteten, auf Pfeilern ruhende Holzhäuſer zu errihten, wie es in den Faktoreien üblich iſt. Die Frechheit der Natten, der Lärm, den ſie allnächtlih unter der Erde, in den Zimmern und auf den Palmblattdähhern vollführten, war eine beſtändige Quelle der Sorge und Störung. Es ließe ſi< ein ganzes Kapitel ſchreiben über das Treiben der klugen und findigen Tiere, die für uns eine wirklih re<ht große Plage waren. Der dauernde Krieg, der auch von unſeren na< dem geſchäßten Braten lüſternen Südleuten mit allen Mitteln geführt wurde, vermochte ihre Reihen nicht zu lichten. Meine Nachtruhe ſicherte ih am beſten dadurG, daß ih ihnen Waſſer und Futter hinſtellte; ſie nahmen Speiſe und Trank und dankten dafür, indem ſie ſih verhältnismäßig artig betrugen.“

Auch die Seeleute ſind mit ihnen ſehr übel daran, denn es gibt kein Schiff ohne Natten, ſei es ein ſegelnder Kauffahrer, ein der Großfiſcherei obliegendes Fahrzeug oder der prächtigſte Shnelldampfer der Neuzeit oder ein in peinlihſter Ordnung erhaltenes Kriegsſchiff. Auf den alten Fahrzeugen ſind ſie niht auszurotten, und die neuen beſezen ſie augenbli>li<, ſobald die erſte Ladung eingenommen wird. Auf langen Seereiſen vermehren ſie ſih, zumal, wenn ſie genug zu freſſen haben, in bedeutender Menge, und dann iſt faum auf dem Schiffe zu bleiben. Als Kanes Schiff bei ſeiner Polarreiſe in der Nähe des 80. Breitengrades feſtgefroren war, hatten die Ratten ſo überhandgenommen, daß ſie bedenklichen Schaden anricteten. Endlich beſchloß man, ſie nah altem Seemannsbrauch zu erſti>en; man ſ{loß alle Luken und brannte unten im Schiffe ein Gemiſh von Schwefel, Kohlen, Leder und Arſenik an. Die Mannſchaft brachte die kalte Nacht des lezten Septembers auf dem Deke zu. Jn kurzer Zeit war auch der geſchloſſene Naum ſo ſtark mit Gas erfüllt, daß zwei Leute, welche ſi< unvorſihtigerweiſe hinabgewagt hatten, ſofort beſinnungslos zu Boden fielen und nur mit großer Mühe aufs De> gebracht werden konnten. Eine hinabgeſenkte brennende Laterne verloſ< augenbli>lih; denno< fand man ſchließlich bloß 28 RNattenleichen, und die überlebenden vermehrten ſi bis zum nächſten Winter in ſo großer Menge, daß man nichts mehr vor ihnen retten konnte. Man verfiel auf ein neues Mittel. Der klügſte und tapferſte Hund wurde in ihre eigentlihe Herberge, in den Schiffsraum, hinabgelaſſen, um dort Ordnung zu ſtiften; aber bald verriet ſein jämmerlihes Heulen, daß niht ex über die Natten, ſondern ſie über ihn Herr wurden. Man zog ihn heraus und fand, daß die gehaßten Nager ihm die Haut von den Fußſohlen abgefreſſen hatten. Später erbot ſih ein Esfkimo, die Ratten allmählih mit Pfeilen zu erſchießen, und war auch ſo