Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 541
Haus- und Wanderratte: Schädlichkeit. Begabung. 501
glülih, daß Kane, welcher ſih die Beute kochen ließ, während des langen Winters beſtändig friſche Fleiſhbrühe hatte. Zufällig fing man einen Fuchs und ſperrte ihn in den Schiffsraum: dieſer endlih räumte auf.
Sn allen Leibesübungen ſind die Ratten Meiſter. Sie laufen raſh und geſchi>t, klettern vortrefflich, ſogar an ziemlih glatten Wänden empor, ſ{hwimmen meiſterhaft, führen mit Sicherheit ziemlich weite Sprünge aus und graben recht leidlih, wenn au< niht gern ausdauernd nacheinander. Die ſtärkere Wanderratte ſcheint no< geſchi>ter zu ſein als die Hausratte, wenigſtens {<wimmt ſie bei weitem beſſer. Jhre Tauchfähigkeit iſt beinahe ebenſo groß wie die echter Waſſertiere. Sie darf dreiſt auf den Fiſchfang ausgehen; denn ſie iſt im Waſſer behende genug, den eigentlihen Bewohnern der feuhten Tiefe nachzuſtellen. Manchmal thut ſie gerade, als ob das Waſſer ihre wahre Heimat wäre. Erſchre>t, flüchtet ſie ſich augenbli>li<h in einen Fluß, Teich oder Graben, und wenn es ſein muß, ſ{hwimmt ſie in einem Zuge über die breiteſte Waſſerfläche oder läuft minutenlang auf dem Grunde des Be>ens dahin. Die Hausratte thut dies bloß im größten Notfalle, verſteht jedoch die Kunſt des Shwimmens ebenfalls re<t gut. Übrigens gebricht es ihnen keineswegs an Mut; ſie wehren ſi< gegen Verfolger aller Art und ſpringen ſogar nicht ſelten gegen den Menſchen, wenn dieſer ſie in die Enge treibt.
Unter den Sinnen der Ratten ſtehen Gehör und Geruch obenan; namentlih das erſtere iſt vortrefflich, aber auh das Geſicht niht ſ{hle<t, und der Geſhma> wird nur allzu oft in Vorratskammern bethätigt, wo die Ratten ſi<h immer die le>erſten Speiſen auszuſuchen wiſſen. Über ihre geiſtigen Fähigkeiten brauche ih nah dem Angegebenen niht mehr viel zu ſagen. Verſtand kann man ihnen wahrlich niht abſprehen, noch viel weniger aber eine bere<nende Liſt und eine gewiſſe Schlauheit, mit welcher ſie ſich den Gefahren der verſchie: denſten Art zu entziehen und wiederum begehrte Leckerbiſſen zu erbeuten wiſſen. Über die Art und Weiſe, wie ſie Eier unzerbrochen fortſhaffen ſollen, iſt ſhon mehrmals berichtet worden. Etwaige Zweifel an ihrem Verfahren ſind niht mehr gerechtfertigt, ſeitdem ein Gewährsmann, wie K. von Dalla Torre, im Jahre 1880 folgenden von ihm ſelbſt beobachteten Vorgang mitgeteilt hat: „Fm Keller eines Hauſes in Fnnsbru> fehlten diefen Winter wiederholt einzelne Eier, welche für dieſe Jahreszeit daſelbſt aufbewahrt worden waren. Natürlich fiel der Verdacht zunächſt auf die Magd, die nun alles aufbot, ihre Unſchuld zu beweiſen, do<h — umſonſt. Jn dieſer heikeln Lage ſtellte ſie ſi<h nun auf die Lauer und wurde Zeugin der Diebesliſt, welche die Ratten anwendeten, um zu den Eiern zu gelangen. Die Eier lagen in einem loſen Haufen beiſammen, und eine lüſterne Ratte kam aus dem Schlupfwinkel hervor, bald darauf eine zweite. Die erſte faßte nun ein Ei mit den Vorderbeinen und {hob es mit Hilfe der anderen etwas beiſeite, ſoweit ſie es mit einigen kräfz tigen Zügen bringen konnten. Hierauf faßte es die erſte Ratte mit den vorderen Gliedmaßen und umſchlang es feſt, nah Art Eierſack tragender Spinnen. Natürlich konnte ſie ſich nun niht mehr bewegen, da die Vorderbeine zum Feſthalten der Beute verwendet werden mußten. Da faßte die zweite mit dem Maule den Schwanz der erſteren und zog ſie mit großer Haſt und ohne allen Anſtand gegen das Loch, von dannen ſie gekommen waren! Das ganze Verfahren, das, nach der Zahl der fehlenden Eier zu ſ{<ließen, auf ziemliher Übung beruhte, dauerte faum 2 Minuten; eine Stunde ſpäter, nachdem das diebiſche Pärchen vom Schauplate verſhwunden war, erſchien es wieder, entſchieden in derſelben Abſicht, und durch gefällige Mitteilung der Familie, wo ſih das Geſchilderte ereignete, hatte ih Gelegen: heit, Augenzeuge eines einmaligen derartigen Vorganges zu ſein, der ſih, nah den Verſicherungen der Magd, ſtets gleichartig abſpielte.
„Es wäre hier wohl am Plaze, Beobachtungen über den „Verſtand“ der Tiere oder den „Inſtinkt“ und über den Unterſchied beider anzuſtellen; ih möchte mir nur exlauben, zu