Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 542

502 Siebente Ordnung: Nager; fünfte Familie: Mäuſe.

bemerken, daß auch die hierzulande gar niht ungeläufige Anſicht, daß die Murmeltiere ihre Heuvorräte in ähnlicher Weiſe eintragen oder, beſſer, einziehen, gar niht ſo widerſinnig klingt, da dieſe wie jene als Nager vielleiht au< durch ähnliche Gebräuche verknüpft ſein mögen.“ Dem gegenüber möchten wir allerdings an unſeren oben (S. 448) geäußerten Zweifeln feſthalten, ſolange niht auh hierfür zuverläſſige Beobachtungen vorliegen.

An einzelnen Ratten hat man bei großer Gefahr eine beſondere Liſt beobachtet. Sie ſtellen ſi tot, wie das Opoſſum thut. Mein Vater hatte einſt eine Ratte gefangen, welche, ohne ſi< zu rühren, in der Falle lag und ſi< darin umherſchütteln ließ. Das noch glänzende Auge war aber zu auffallend, als daß ſol< ein Meiſter in der Beobachtung ſich hätte täuſchen ſollen. Mein Vater ſchüttelte die Künſtlerin auf dem Hofe aus, aber in Gegenwart ihrer ſ{<limmen Feindin, der Kate, und ſiche da — die ſcheinbar Tote bekam ſofort Leben und Beſinnung, wollte au< ſo ſchnell wie möglih davonlaufen, allein Miez ſaß ihr auf dem Nacken, noh ehe ſie eine Schrittlänge durhmeſſen hatte.

Die Paarung geht unter lautem Lärmen und Quieken und Schreien vor ſi; denn die verliebten Männchen kämpfen heftig um die Weibchen. Das brünſtige Weibchen macht, nah Haa>e, allerhand ſonderbare Grimaſſen und wird unzählige Male hintereinander von dem Männchen beſprungen, das jedesmal nach der nux einen Augenbli> dauernden Begattung eifrig ſeine Geſchlechtsteile bele>t. Ungefähr einen Monat nah der Begattung werfen die Weibchen 5—22 Junge, kleine, allerliebſte Tierchen, welche jedermann gefallen würden, wären ſie niht Ratten. „Am 1. März 1852“, berichtet Dehne, „bekam ih von einer weißen Ratte 7 Zunge. Sie hatte ſi<h in ihrem Drahtkäfige ein dites Neſt von Stroh gemacht. Die Jungen hatten die Größe der Maikäfer und ſahen blutrot aus. Bei jeder Bewegung der Mutter ließen ſie ein feines, durchdringendes Piepen oder Quietſchen hören. Am 8. waren ſie ſhon ziemlih weiß; vom 13.—16. wurden ſie ſchend. Am 18. abends kamen ſie zum erſten Male zum Vorſchein; als aber die Mutter bemerkte, daß ſie beobachtet wurden, nahm ſie eine nah der anderen ins Maul und ſ<leppte ſie in das Neſt. Einzelne kamen jedo< wieder aus einem anderen Loche hervor. Allerliebſte Tierchen von der Größe der Zwergmäuſe mit ungefähr 3 Zoll langen Shwänzen! Am 21. hatten ſie ſhon die Größe gewöhnliher Hausmäuſe, am 28. die der Waldmäuſe. Sie ſaugten no< dann und wann (ich ſah ſie ſogar no< am 2. April ſaugen), ſpielten miteinander, jagten und balgten ſih auf die gewandteſte und unterhaltendſte Weiſe, ſeßten ſi< auh wohl zur Abwechſelung auf den Nü>en der Mutter und ließen ſi von derſelben herumtragen. Sie übertrafen an Poſſierlichkeit bei weitem die weißen Hausmäuſe. Am 9. April trennte ih die Mutter von ihren SFungen und ſeßte ſie wieder zum Männchen; am 11. Mai warf ſie abermals eine Anzahl Junge. Von den am 1. März zur Welt gekommenen hatte ih ſeit Anfang April ein Pärchen in einem großen Glaſe mit ahtzölliger Mündung abgeſondert gehalten, und ſhon am 11. Juni nachmittags, alſo im Alter von 103 Tagen, gebar das Weibchen ſe<s Junge. Troß der Weite des Glaſes ſchien der Mutter doh der Naum für ihre Jungen zu eng zu ſein. Sie bemühte ſich vergebens, ein weiteres Neſt zu machen, wobei ſie öfters die armen Kleinen ſo verſcharrte, daß man nichts mehr von ihnen ſah; doch fand ſie dieſe immer bald wieder zuſammen. Sie ſäugte ihre Jungen bis zum 23. Funi ganz gut, und ſie wurden bereits etwas weiß; auf einmal aber waren ſie alle verſhwunden: die Mutter hatte ſie ſämtli gefreſſen!

„Am Tage und nah Mitternacht ſhlafen die Wanderratten; früh und abends ſieht man ſie in größter Thätigkeit. Sehr gern trinken ſie Milch; Kürbiskörner und Hanf gehören zu ihren Leckerbiſſen. Für gewöhnlich bekommen ſie Brot, welches mit Waſſer oder Milch oberflählih angefeuchtet wurde; dann und wann erhalten ſie auh gekochte Kartoffeln, welche ſie ſehr gern freſſen. Fleiſh und Fett, Lieblingsgerichte für ſie, entziehe ih ihnen ſowie allen anderen Nagern, welche ih in der Gefangenſchaft ernähre, gänzlich, da nah ſolchen