Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2, стр. 544
504 Siebente Ordnung: Nager; fünfte Familie: Mäuſe.
Ratten throne und von hier aus den ganzen Rattenſtaat regiere. So viel iſt ſicher, daß man zuweilen eine größere Anzahl feſt mit den Shwänzen verwi>elter Ratten findet, welche, weil ſie ſich niht bewegen können, von Mitleidigen ihrer Art ernährt werden müſſen. Möglich, daß eine dur< anſte>ende Krankheit bedingte Ausſchwißung der- Rattenſhwänze ein Aufeinanderkleben derſelben zur Folge hat; man iſt aber nicht im ſtande, etwas Sicheres darüber zu ſagen. Jn Altenburg bewahrt man einen Rattenkönig auf, welcher von 27 Ratten gebildet wird; in Bonn, bei Schnepfenthal, in Frankfurt, in Erfurt und in Lindenau bei Leipzig hat man andere aufgefunden. Leßterer iſt amtli< genau beſchrieben worden, und ih halte es niht für überflüſſig, den Jnhalt der betreffenden Akten hier folgen zu laſſen.
„Am 17. Januar 1774 erſcheint bei der Landſtube zu Leipzig
Chriſtian Kaiſer, Mühlknappe zu Lindenau, und bringt an:
Was maaßen er an vergangener Mittwoche frühe einen Rattenkönig von 16 Stü Ratten, welche mit den Shwänzen ineinander verflochten, in der Mühle zu Lindenau gefangen habe, welchen er, weil dieſer auf ihn los\pringen wollen, ſofort todtgeſhmniſſen. Dieſen Nattenkönig habe
Johann Adam Faßhauer zu Lindenau von ſeinem Herrn, Tobias Fägern, Müllern zu Lindenau, unter dem Vorwande: daß er jolhen abmalen wolle, abgeholt, und nunmehr wolle er den Rattenkönig nicht wieder hergeben, habe auch ſeit der Zeit viel Geld damit verdient; er wolle daher gehorſamſt bitten, Faßhauern cum expensis anzudeuten, daß er ihm ſofort ſeinen Nattenkönig wiedergeben und das damit verdiente Geld bezahlen ſolle 2c.
Am 22. Februar 1774 erſcheint bei der Landſtube
: Chriſtian Kaiſer, Mühlknappe zu Lindenau, und ſagt aus:
Es ſei wirklih der Wahrheit gemäß, daß er am 12. Zanuar einen Rattenkönig von 16 Stü Ratten in der Mühle zu Lindenau gefangen habe. Beſagten Tages habe er in der Mühle und zwar bei einer Treppe in einem Unterzuge ein Geräuſch gehört worauf er da die Treppe hinaufgegangen, einige Ratten bei fothanem Unterzuge gu>en ſehen, welche er mit einem Stü> Holz todtgeſchlagen. Hierauf hätte er eine Leiter an gedachten Ort angelegt, um zu ſehen, ob no< mehr Ratten wären, und dieſen Rattenkönig mit Beihülfe einer Art auf den Play geſchmiſſen, und hätten viele noch gelebt, weil ſie heruntergefallen, welche er aber nach einiger Zeit auh todtgeſhmiſſen. Sechszehn Stück Ratten wären aneinander feſte geflohten geweſen, und zwar 15 Stü mit den Shwänzen, die ſeh8zehnte aber mit einer anderen auf dem Rücken mit dem Schwanze in ihren Haaren eingeflochten geweſen. Durch das Herunterfallen von dem berührten Unterzuge wäre keine von der anderen abgelöſt geweſen; auch hätten nahher noc viele einige Zeit gelebt und geſprungen, ſi aber niht voneinander durh das Springen losmachen können. So feſte wären ſie ineinander geflohten geweſen, daß er niht glaubte, daß es mögli geweſen, wenigſtens mit ſ{hwerer Mühe, ſie voneinander zu reißen 2c.“
Nun folgen noh einige andere Zeugenberichte, welche das Geſagte feſtſtellen. Und endlich findet ſih die Beſchreibung des Arztes und des Wundarztes, welche auf Wunſch der Landſtube die Sache genauer unterſuchten. Der betreffende Arzt teilt darüber folgendes mit:
„Um zu unterſuchen, was von der von vielen ſehr fabelhaft erzählten Geſchichte des Nattenkönigs zu halten ſei, habe ih mi<h am 16. Januarii nah Lindenau begeben und daſelbſt gefunden, daß in der Schenke zum Poſthorn in einem kühlen Zimmer auf einem Tiſche eine Anzahl von 16 todten Ratten gelegen, davon 15 Stü> mit den Schwänzen, gleih als ein aus vielen Enden beſtehender Stri> in einen großen Knoten ineinander ſo verwidelt/ daß einige dieſer Shwänze ganz in den Knoten bis ungefähr 1—2 Zoll von dem Rumpfe