Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3
Saiga. Gnus. 417
auf. Leßteres ſammeln dann die Kirgiſen oder die Koſaken und verkaufen es wohlfeil na< China. Und noh iſt die Zahl der Feinde niht erſchöpft. Eine Daſſel- oder Biesfliegenart legt ihnen Eier in die Haut, oft in ſolcher Menge, daß die auskriehenden Maden brandige Geſchwüre verurſachen und das Tier umbringen.
Jung aufgezogene Steppenantilopen werden ſehr zahm, folgen ihren Herren wie Hunde, jelbſt ſ<hwimmend durch die Flüſſe, fliehen vor wilden ihrer Art und kehren des Abends aus freien Stü>ken wieder in ihren Stall zurü>. Durch Vermittelung des Tiergartens in MosSfau, ſpäter durch die Bemühungen des Tierhändlers Stader, ſind Saigas wiederholt auh nah Deutſchland gebraht worden, gehören aber in unſeren Tiergärten noh immer zu den Seltenheiten. Nah Staders mündlihen Mitteilungen fängt man ſie wenige Stunden nah der Geburt ein und läßt ſie ſo lange von Ziegen und Schafen bemuttern, bis ſie ſelbſtändig freſſen und. die weite, beſhwerliche Reiſe aushalten können. Nachdem ſie etwa ein Jahr alt geworden ſind, verſendet man ſie weiter. Dieſe jungen Tiere haben ein durhaus eigentümlihes Ausſehen und erinnern, wie bemerkt ebenſo an Renntiere wie an Schafe. Fhre Bewegungen ſind aber entſchieden antilopenartig. Gewöhnlich gehen ſie einen ruhigen, regelmäßigen Paß, der jedoh oft dur einige raſche Sprünge unterbrochen wird, wobei ſie ſih ziemli<h ho< in die Luft ſ<hnellen. Sie weiden wie andere Wiederkäuer, ruhig vorwärts gehend. Jhre Beutelnaſe iſt dabei in beſtändiger Bewegung und ſchleift diht über den Boden dahin. Gegen Witterungseinflüſſe zeigen ſie ſi<h vollfommen unempfindlich, bleiben auc in den kälteſten Nächten gern in ihrem Gehege, ohne ihren Stall zu betreten, und liegen am Morgen, di> mit Reif belegt oder ſelbſt mit Schnee bede>t, anſcheinend höchſt behaglih auf derſelben Stelle, auf welcher ſie ſich niederließen. Das Niederthun ſelbſt geſchieht niemals ohne einige Umſtände: ſie ſuchen vorher erſt lange nah einem paſſenden Plaße, drehen ſi< über demſelben einige Male herum und laſſen ſi dann erſt auf die Vorderkniee und \<ließli<h auf den Leib nieder. Die von mir gepflegten Saigas fraßen von allem geeigneten Futter, welches ih ihnen reichen ließ, waren, wie die meiſten übrigen Antilopen, ungemein begierig auf Salz und nahmen außerdem täglih eine ziemlih bedeutende Menge von Erde zu ſich. Jhre Loſung ähnelt der unſerer Ziegen und Schafe.
ObwL„l die von mir gepflegten und ſonſtwie beobachteten Saigas binnen kurzer Zeit ſich mit ihrem Wärter befreundet hatten und ſehr zahm geworden waren, gelang es doch bloß bei ſehr wenigen, ſie jahrelang am Leben zu erhalten. Hieran war nur in einzelnen Fällen die ihnen vielleiht niht ganz zuſagende Nahrung, viel häufiger ihre geringe geiſtige Begabung ſchuld; denn die meiſten, welche zu Grunde gingen, verendeten infolge ihrer Schrecthaftigkeit oder Ungeſchi>lichkeit indem ſie, durch irgend ein ungewöhnliches Vortommnis erregt, plöglih wie unſinnig gegen die ihnen doh wohlbekannten Gitter ſtürmten und ſich dabei das Geni> brachen oder zwiſchen den Gitterſtäben erhängten. Der erſte Eindru>, welchen die Saiga auf den Beſchauer macht, iſt kein günſtiger; denn ſie erſcheint dem Beobachter ſofort als ein in hohem Grade geiſtloſes und dummes Weſen, und ihr Benehmen ſtraft dieſen erſten Eindru> niht Lügen.
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Wohl die auffälligſten aller Antilopen ſind die Gnus (Catoblepas), höhſt abſonderliche Wiederkäuer, Mittelglieder, falls man ſo ſagen darf, zwiſchen Antilope, Nind und Pferd, wahre Zerrbilder der edlen und zierlichen Geſtalten ihrer Familien. Man bleibt im Zweifel, welches Geſchöpf man eigentlich vor ſih hat, wenn man ein Gnu zum erſten Male anſieht. Das Tier erſcheint als ein Pferd mit geſpaltenen Hufen und einem Stierkopfe,
und es beweiſt dur< ſein Betragen, daß ſein ganzes Weſen mit dieſer Zwittergeſtalt beſtens Brehm, Tierleben. 3. Auflage. II. 27