Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Elch: Bewegungen. Sinnesſchärfe. Fortpflanzung. 443

dies bei anderen Hirſchen der Fall zu ſein pflegt. Freſſen und Ruhen ſcheinen dem Elche als die höchſten Lebens8aufgaben zu gelten; nur die Brunft verändert das gleihmäßige Einerlei ſeines Weſens.

__Alte Elchhirſhe werfen im November, frühſtens im Oktober, jüngere um mehr als einen Monat ſpäter ab; erſtere fegen im Juli, lettere erſt im Auguſt, zuweilen noch ſpäter. Die Neubildung des Geweihes geſchieht inſofern in eigentümlicher Weiſe, als dasſelbe anfänglih ungemein langſam und erſt vom Mai an ſchneller wächſt. Die Brunft tritt in den Oſtſeeländern Ende Auguſt, im aſiatiſhen Rußland im September oder Oktober ein. Um dieſe Zeit ſind die Hirſche auf das höchſte erregt. Während man ſonſt nux in ſeltenen Fällen einen dem Sthre>en des Rotwildes ähnelnden, jedoch bedeutend ſtärkeren und tieferen, hell nahtlingenden Laut und auch dieſen vielleiht bloß vom alten Tiere vernimmt, orgeln die Elhhirſche jet na< Art des Edelhirſches, jedo< in kurzen Abſätzen und mehr plärrend als ſchreiend, faſt wie der Damhirſch, nur in viel tieferem Tone, fordern damit alle gleichſtrebenden Hirſche zum Zweikampfe heraus und fe<ten dieſen mit Wut und Fngrimm durch, nehmen leiht auch ſelbſt den Menſchen an, laufen, die Naſe zum Boden herabgeſenkt, als wollten ſie eine Fährte aufnehmen, unſtet und raſtlos bei Tage und Nacht umher, tagtäglich viele Meilen durhmeſſend, treiben die Tiere tagelang ununterbrochen, verfolgen ſie weit und ſ{<wimmen ihnen ſelbſt durch die breiteſten Ströme nah. Junge Hirſche werden von den älteren abgeſhlagen und finden ſelten Gelegenheit, ihren Trieb zu befriedigen; dann trollen ſie wie unſinnig in gerader Richtung fort, beſuchen ſelbſt bebaute Gegenden, wel<he ſie ſonſt ängſtlih meiden und kommen endlich ebenſoſehr vom Leibe wie die Alten dur das wirkliche Brunften. Der Beſchlag ſelbſt dauert turze Zeit, wird aber oft wiederholt. Nach deſſen Vollendung ſteigt der Hirſh niemals ab, ſondern das Tier rü>t unter ihm weg. Das Elchtier geht 36—38 Wochen trächtig; Ende April oder Anfang Mai ſet es, zum erſtenmal nur 1 Kalb bei jedem folgenden Sagte aber deren 2, meiſt ein Pärchen, ſeltener zwei desſelben Geſchlechtes; 8 Kälber bei einem Sagte ſind ein ſeltenes Vorkommnis, gehen au< als Shwächlinge meiſt zu Grunde. Gleich na<h dem Ablecen ſpringen die Kälber auf, taumeln aber noh wie berauſcht mit dem Kopfe hin und hex und müſſen anfangs von der Mutter fortgeſhoben werden, wenn ſie ſi<h bewegen ſollen; doh [hon am dritten oder vierten Tage folgen ſie ihr und beſaugen ſie faſt bis zur nächſten Brunſtzeit, ſelbſt dann noch, wenn ſie bereits ſo groß geworden ſind, daß ſie ſih unter die Mutter hinlegen müſſen. Jn den erſten Tagen ihres Lebens ſind ſie ſo ungeſtaltet, daß ſie in mehr als einer Hinſicht an einen Eſel erinnern, und mit dieſem Ausſehen ſteht ihre Unbeholfenheit vollſtändig im Einklange O. von Loewis ſchreibt mir, daß ſie ſi<h während der erſten Jugendzeit, wenn ſie überraſcht wurden, ſofort niederlegen und widerſtandslos aufnehmen und forttragen laſſen. Sehr groß iſt die Anhänglichkeit und Liebe der Mutter zu ihren Kälbern. Sie verteidigt ſelbſt die getöteten Jungen, und irrt, wenn dieſe ihr geraubt wurden, oft no< tagelang ſuchend auf der Unglücksſtelle umher.

Außer dem Menſchen werden dem Elche, trot ſeiner Stärke, mehrere andere Feinde gefährlih: vor allen Wolf, Luchs Bär und Vielſraß. Der Wolf reißt die Elche gewöhnlich im- Winter bei hohem Schnee nieder; der Bär pflegt meiſtens nur einzelne Tiere zu be[<leihen und ſteht vom Angriffe eines Rudels ab; der Luchs und unter Umſtänden der Vielfraß fpringen auf einen unter ihnen weggehenden Elen, krallen ſih am Halſe feſt und beißen ihm die Schlagadern dur. Sie ſind als die gefährlichſten Feinde des wehrhaften Wildes anzuſehen; Wölfe und Bären dagegen haben ſich vorzuſehen: denn das Elchwild verſteht, auh wenn es das kräftige Geweih nicht beſigt, ſich erfolgreich zu verteidigen, indem es die harten und ſcharfen Schalen ſeiner Vorderläufe mit ebenſoviel Geſchi> als Nachdru> gebraucht. Ein einziger, richtig angebrachter Schlag mit dieſen durchaus niht zu