Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

446 Elfte Ordnung: Paarzeher; fünſte Familie: Hirſche.

außerhalb ſeines Gitters nieder und duldete ohne Widerſtreben, daß ihm der Wärter einen Halfter umlegte, um ihn wieder zurückzuführen. Gegen andere Tiere zeigt ſich der gefangene El ſehr gleihgültig, beahtet Hunde, welche die übrigen Hirſche in große Aufregung verſeßen, niht im geringſten, bekümmert ſih aber au<h um Verwandte, welche in oder neben ſeinem Raume eingeſtellt ſind, nux wenig. Mit Renntieren verträgt er ſich vortrefflih, vielleicht weil ihm deren ruhiges Weſen zuſagt. Die flinken und lebendigen Hirſcharten ſcheinen ihm verhaßt zu ſein; er verſucht, auh ſie zu ſchlagen, und duldet ſie, ohne feindliche Verſuche zu machen, erſt dann, wenn er ſi< von der Nusloſigkeit ſeiner Anſtrengungen überzeugt hat.

Man erlegt den Elch entweder auf dem Anſtande oder auf großen Treibjagden und in Lappen und Negen. Jm hohen Norden verſuchen die Jäger im Winter ihr Wild auf Schneeſchuhen zu jagen, und bemühen ſih, es auf das Eis zu treiben, wo ſie ihm dann bald den Garaus machen. Der Gewinn, welchen der Menſch von dem erlegten Tiere zieht, iſt beträchtlih. Wildbret Fell und Geweihe werden ebenſo wie beim Hirſche verwendet. Das Fleiſch iſt zäher, das Fell aber feſter und beſſer als das des Rotwildes, Elenhaut wurde namentlih im Mittelalter hohgeachtet und teuer bezahlt. „Seine Haut aber (wann ſie von den Weißgerbern zubereitet worden)“, ſagt der alte Gesner, „giebt gar gute Leibföller die den Regen, auh Stich und Hieb außhalten, auh heutiges Tages an ſtatt eines Harniſchs angelegt werden. Eine Elendshaut gielt etwann drey biß in vier Ducaten, und wird auff underſchiedlihe Weiſe von einer Hirſhenhaut erkannt, weil ſie Lufftlöher hat, und der, ſo dardurh bläſt deß Athems an der darüber haltenden Hand empfindet.“ Auch noh in ſpäterer Zeit {häßte man dieſes Wildleder viel höher als anderes und verfolgte deshalb den El mehr als billig. So ließ Kaiſer Paul I. in Rußland einen förmlichen Vernichtungskrieg gegen die Elche führen, um die zur Beinbekleidung ſeiner Reiter nah ſeiner Anſicht unbedingt erforderlichen Elenhäute zu erhalten. Bei mehreren nördlichen Völfern gelten die knorpeligen Stangen, die Ohren und die Zunge als Le>erbiſſen. Lappländer und Sibirier ſpalten die Sehnen und verwenden ſie wie die der Renntiere. Beſonders die harten und blendend weißen Knochen werden ungemein gerühmt. Fn früheren Zeiten wußte man noh weit mehr aus dem Elentiere zu machen. Es wurden allerlei Heilmittel von ihm gewonnen, und der Aberglaube fand reihlihe Nahrung durch die wunderbaren Kuren, welhe man damit bewirkte; galt ja doh das Tier den alten Preußen als eine Gottheit! Fnsbeſondere Elentierklauen ſtanden, weil man ſie als eine trefflihe Arznei gegen fallende Sucht und andere Gebreſten anſah, hoh in Ehren wie im Preiſe und wurden zerfeilt eingenommen, in Ringform getragen und ſonſtwie benußt, auch oft verfälſcht, d. h. dur< Kuhklauen erſet. Geſcheite Leute gaben freilih ſhon zu. Ende des 16. Fahrhunderts nict viel auf den mit ſolchen Klauen getriebenen Heilſhwindel. „Herr Gesner“, bemerkt ſein Überſeßer, „ſagt: Jch habe erfahren, daß ſolches bißweilen geholffen, bißweilen aber nicht helffen wollen, Gott gebe, was andere, wo es nit hilfft, für einen Underſcheid der Kran>heit vorgeben, ſo vermeyne ih doh, daß bey dieſer Arßney, und bey dem der ſie braucht, etwas Aberglauben mit unterlauffe, und dieſelbe je dem Glauben nah, deſſen der ſie einnimpt, viel oder wenig helfe. Und iſt dieſe Muthmaſſung, daß Elendsklau vor ſolche Krankheit gut ſey, daher entſtanden, dieweil das Thier ſelbſt täglich auch dieſe Kranheit hat. — An ſtatt der Elendsklauen (da ſi dann wol ſürzuſehen) verkauffen die Landſtreicher und Qualſalbex bißweilen Kühklauen: Doch findet man Leute, die ſich darauff verſtehen, und, ohne andere Kennzeichen, ſie am Geruch exkennen: Dann wann man etwas davon abfeylet und auff Kolen wirfft, hat es einen guten Geruch, das Kühhorn aber ſtin>et.“

Aller Nuzen, wel<hen das Elentier bringen kann, wiegt bei weitem den Schaden nicht auf, welchen es verurſacht. Das Tier iſt ein wahrer Holzverwüſter und wird geregelten