Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

450 Elfte Ordnung: Paarzeher; fünfte Familie: Hirſche.

weiter und weiter. Die Fnnenſeite der Ohren iſt ſtets mit weißen Haaren beſeßt; dieſelbe Färbung hat auch ein Haarbüſchel an der Fnnenſeite der Ferſe; die Wimpern ſind ſ{hwarz. Beim zahmen Renntiere iſt die Färbung im Sommer am Kopfe, Nücen, Bauche und an den Füßen dunkelbraun, am dunkelſten, faſt <hwärzli<h, auf dem Rückgrate, heller an den Seiten des Leibes, über welche aber gewöhnlich zwei lichtere Längsſtreifen laufen. Der Hals iſt viel lichter als der Rü>en, die Unterſeite weiß, die Stirn gewöhnlih ſ{<warzbraun, ein Kreis um die Augen ſ{<hwarz, die Kopfſeite weiß. Jm Winter verſhwindet die braune Färbung, und das weiße Haar tritt ebenfalls mehr hervor; do< gibt es auch viele Renntiere, welche ſi im Winter nur durch verlängerte Haare auszeihnen, in der Färbung aber ſi gleihbleiben. Das Geweih des weiblichen Tieres iſt regelmäßig kleiner und weniger geza>t als das des männlichen, bei beiden Geſchlehtern aber dadur< beſonders ausgezeihnet, daß die Stangen ſehr dünn und nur am Grunde rundli<h, nach oben dagegen abgeplattet ſind, und daß die häufig an einer Stange fehlende Augenſproſſe, welche vorn in eine breite Schaufel endet, ſo diht auf der Naſenhaut aufliegt, daß man kaum einen Finger dazwiſchen durchbringen fann. Darüber tritt die Eis\ſproſſe hervor, welcher ſih ebenfalls ſhaufelt und ausza>t; das Ende des Geweihes iſt eine langausgezogene Schaufel mit verſchiedenen Zaden. Äußerſt ſelten findet man ein regelmäßig gebautes Geweih wie beim Hirſche; es kommt oft vor, daß ſelbſt Hauptſproſſen, wie z. B. die Augenſproſſen, gänzlih verkümmern. Einige Naturforſcher nehmen an, daß die in Amerika vorkommenden Renntiere einer beſonderen Art angehören, und unterſtüßen ihre Meinung dadur<, daß auch das europäiſche Renn daſelbſt zu finden ſei und ſi< dur< Größe, Färbung und Lebensweiſe von jenen unterſcheide. Der Karibu (Rangifer caribu) ſoll größer ſein als das Renn, ein tleineres Geweih und dunklere Färbung haben und einſamer, vorzugsweiſe in Wäldern leben. Schon die Alten kannten das Renn. Fulius Cäſar beſchreibt es ziemlih rihtig. „Fm Hercyniſchen Walde“, ſagt er, „gibt es einen Ochſen von der Geſtalt des Hirſches, dem mitten auf der Stirn ein viel größeres Horn ſteht, als es die übrigen haben; die Krone desſelben breitet ſih handförmig in viele Za>en aus. Das Weibchen hat ebenſolche Hörner.“ Plinius mengt die Beſchreibung des Renntieres und Elentieres untereinander. Aelian erzählt, daß die wilden Skythen auf gezähmten Hirſhen wie auf Pferden reiten. Olaus Magnus (1530) gibt dem Renn drei Hörner: „Zwei größere Hörner“, ſagt er, „ſtehen wie bei den Hirſchen, ſind aber äſtiger; denn ſie haben manhmal 15 Äſte. Ein anderes Horn ſteht in der Mitte des Kopfes und dient zur Verteidigung gegen die Wölfe.“ Dieſer Schriftſteller weiß, daß die Nahrung des Renntieres aus Bergmoos beſteht, welches es unter dem Schnee hervorſcharrt, daß man es in Herden hält und hütet, daß es in einem anderen Klima bald zu Grunde geht; er erzählt, daß der König von Schweden im Fahre 1533 einigen Herren aus Preußen zehn Stü>k geſchenkt habe, welche von dieſen freigelaſſen wurden; er berichtet, daß die Hirten mit ihren ziehenden Hirſchen in den Thälern an jedem Tage 50,000 Schritt zurücklegen, und daß die Tiere zu weiten Reiſen benußt werden, gibt auh ſhon deren Nußen und Verwendung an: denn er ſagt, daß das Fell zu Kleidern, Betten, Sätteln 2c., die Sehnen zu Schnüren und als Zwirn, die Knochen und Hörner zu Bogen und Pfeilen, die Klauen als krampfſtillendes Mittel benußt werden 2c. Die auf ihn folgenden Naturforſcher miſhen Wahres und Falſches durcheinander, bis auf Scheffer aus Straßburg, welcher im Jahre 1675 in ſeinem Werke über Lappland das Renn ziemlich rihtig ſchildert. Doch erſt der große Linné iſt es, welcher es ſelbſt und zwar genau beobachtet hat. Nach ihm haben viele andere dieſes und jenes berichtet, und ſomit darf die Naturgeſchichte des Renntieres als ziemlih abgeſchloſſen betrachtet werden. Der hohe Norden der Alten und, wenn man den amerikaniſchen Karibu zu unſerer Art zählt, auh die nördlihſten Gegenden der Neuen Welt ſind die Heimat des Renns. Es