Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

526 Erſte Dronung: Baumvögel; einundzwanzigſte Familie: Shwalben,

Neiſe regelmäßig in Geſellſchaft ihrer Verwandten. Jm Frühjahre kommt ſie einzeln an; vor dem Herbſtizuge verſammelt ſie ſih zu großen Geſellſchaften, die zuweilen zu unſchäßbaren Schwärmen anwachſen, auf den Dächern hoher Gebäude ſcharen und dann, gewöhnlich glei na< Sonnenuntergang, zur Reiſe aufbrechen. Gelegentlich dieſer Wanderung ruhen ſie ſi<h wohl au< im Walde auf Bäumen aus.

Jn ihrem Weſen zeigt die Mehlſhhwalbe viel Ähnlichkeit mit der Rauchſhwalbe; bei genauerer Beobachtung aber unterſcheidet man ſie doch ſehr leicht von dieſer. „Sie ſcheint“, wie Naumann ſagt, „ernſter, bedächtiger und einfältiger zu ſein als jene, iſt minder zutraulih, doh auch niht ſcheu, fliegt weniger geſhwind, jedo< ſ<nell genug, aber mehr und öfter ſ<hwebend, meiſtens höher als jene. Jhr Flug iſt ſanft, nicht ſo außerordentlih {nell und abwechſelnd, doh aber auh mit ſehr verſchiedenartigen Wendungen und Shwenkungen, bald hoh, bald tief.“ Bei Regenwetter ſchwingt ſie ſih oft zu außerordentlihen Höhen empor und jagt wie die Seglerarten in jenen Luftſchichten nah Nahrung. Sie iſt geſelliger als ihre Verwandten, vereinigt ſich jedo<h nur mit anderen ihrer Art. Mit der Rauhßſchwalbe hält ſie Frieden, und bei allgemeiner Not oder auf der Wanderung ſchart ſie ſih mit dieſer zu einem Fluge; unter gewöhnlichen Umſtänden aber lebt jede Art abgeſondert für ſi, ohne gegen die andere beſondere Zuneigung zu zeigen. Fnnerhalb des Verbandes wird der Frieden übrigens oft geſtört, und zumal bei den Neſtern gibt es viel Zank und Streit, nicht bloß mit anderen neſtbedürftigen Mehlſchwalben, ſondern au< mit dem Sperlinge, der gerade das Neſt dieſer Schwalbe ſehr häufig in Beſiß nimmt. Die Stimme unterſcheidet ſie leicht von der Rauhſhwalbe. Der Locton klingt wie „här“ oder „[krü“, der Ausdru> der Furcht iſt ein zweiſilbiges „Skier“, der Geſang, wie Naumann ſagt, „ein langes, einfältiges Geleier ſi<h immer wiederholender, durchaus niht angenehmer Töne“. Er gehört unter die ſ{le<teſten aller Vogelgeſänge.

Hinſichtlich der Nahrung der Mehlſchwalbe gilt ungefähr dasſelbe, was von der Rauch\{<walbe geſagt wurde; jedo< kennen wir nux zum geringſten Teile die Kerbtiere, denen ſie nachſtrebt, und namentlich die Arten, die ſie in den hohen Luftſchichten und, wie es ſcheint, in reihliher Menge erbeutet, ſind uns vollkommen unbekannt. Stechende Kerbtiere fängt ſie ebenſowenig wie die Rauchſchwalbe; der Giftſtachel würde ihr tödlich ſein. „Einer ſehr rüſtigen, hungernden, flugbaren, jungen Schwalbe dieſer Art“, erzählt Naumann, „Hielt ih eine lebende Honigbiene vor; aber kaum hatte ſie ſelbige in dem Schnabel, als ſie au< ſchon in die Kehle geſtochen war, die Biene von ſih ſ{<leuderte, traurig ward und in weniger denn 2 Minuten ſhon ihren Geiſt aufgab.“

Bei uns zu Lande niſtet die Mehlſchwalbe faſt ausſchließli< an den Gebäuden der Städte und Dörfer; in weniger bewohnten Ländern ſiedelt ſie ſih maſſenhaft an Felswänden an, ſo, nah eignen Beobachtungen, in Spanien wie an den Kreidefelſen der Fnſel Rügen, ebenſo, laut Schinz, an geeigneten Fel8wänden der Schweizer Alpen. Unter allen Umſtänden wählt ſie ſi<h eine Stelle, an welcher das Neſt von oben her geſhüßt iſt, ſo daß es vom Regen nicht getroffen werden kann, am liebſten alſo die Frieſe unter Geſimſen und Säulen, Fenſter- und Thürniſchen, Dachkränze, Wetterbretter und ähnliche Stellen. Zuweilen bezieht ſie au< eine Höhlung in der Wand und mauert den Eingang bis auf ein Flugloh zu. Das Neſt unterſcheidet ſih von dem der Rauhſchwalbe dadurch, daß es ſtets bis auf ein Eingangslo< zugebaut wird, von oben alſo nicht offen iſt. Die Geſtalt einer Halbkugel iſt vorherrſchend; doh ändert das Neſt nah Ort und Gelegenheit vielfah ab. Der Bau geſchieht mit Eifer, iſt aber eine lange Arbeit, die ſelten unter 12—14 Tagen vollendet wird; gewöhnlich werden viele Neſter diht neben- und aneinander gebaut.

Das Pärchen benutzt das einmal fertige Neſt niht nux zu den zwei Bruten, die es in einem Sommer macht, ſondern auh in nachfolgenden Jahren, fegt aber immer erſt den