Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Mehlſ{<walbe: Weſen. Nahrung. Niſtplähße. Feinde. 527

Unrat aus und trägt neue Niſtſtoffe ein. Schadhafte Stellen werden geſchi>t ausgebeſſert, ſogar Löcher im Boden wieder ausgefli>t. Das Gelege beſteht aus 4—6 zartſchaligen ſhneeweißen, 18 mm langen, 13 mm di>en Eiern, die nah 12—13 Tagen von dem allein brütenden Weibchen gezeitigt werden. Das Männchen verſorgt ſein Weibchen bei gutem Wetter mit genügender Nahrung; bei {le<tem Wetter hingegen iſt dieſes genötigt, zeitweiſe die Eier zu verlaſſen, und dadurch verlängert ſich dann die Brütezeit. Auch das Wachstum der Jungen hängt weſentli<h von der Witterung ab. Jn tro>enen Sommern fällt es den Eltern nicht ſchwer, die nötige Kerbtiermenge herbeizuſchaffen, wogegen in ungünſtigen Jahren Mangel und Not oft recht drückend werden. Bei frühzeitig eintretendem kalten Herbſtwetter geſchieht es, daß die Eltern ihre Jungen verhungern laſſen und ohne ſie die Winterreiſe antreten müſſen: Malm fand in Schweden Neſter, in welchen die halb erwachſenen Zungen tot in derſelben Ordnung lagen, die ſie, als ſie no< lebten, eingehalten hatten. Unter günſtigen Umſtänden verlaſſen die Jungen nah ungefähr 16 Tagen das Neſt und üben nun unter Auſſicht der Alten ihre Glieder, bis ſie kräftig und geſchi>t genug ſind, um ſelbſt für ihren Unterhalt zu ſorgen. Anfangs kehren ſie allabendlih noh nah dem Neſte zurü>, das auch den Eltern bisher zur Nachtruhe diente. „Vater, Mutter und Kinder“, berihtet Naumann, „drängen ſi< darin zuſammen, oft 7—8 Köpfe ſtark und der Raum wird dann alle Abende ſo beengt, daß es lange währt, ehe ſie in Ordnung kommen, und man ſi oft wundern muß, wie das Neſt, ohne herab zu fallen oder zu berſten, ihre vielen Balgereien aushält. Der Streit wird oft ſehr ernſtlih, wenn die Fungen, wie es in großen Siedelunge1: oft vorkommt, ſich in ein fremdes Neſt verirren, aus welchem ſie von den brütenden Alten und Jungen, die im re<tmäßigen Beſitze ihres Eigentums ſi< tapfer verteidigen, immer hinausgebiſſen und hinabgeworfen werden.“

Baumfalke und Merlin ſind die ſ{limmſten Feinde der Mehlſchwalbe. Die Neſter werden von der Schleiereule und dem Schleierkauze, zuweilen au< wohl von Wieſeln, Ratten und Mäuſen geplündert. Mancherlei Schmaroßer plagen Alte und Junge; vor anderen Gegnern ſ{hüßt ſie ihre Gewandtheit. Nur mit einem Vogel no< haben ſie hartnädige Kämpfe zu beſtehen: mit dem Sperlinge nämlich, und dieſe Kämpfe arten oft in Mord und Totſchlag aus. „Gewöhnlih“, ſagt Naumann, „nimmt das Sperlings8männchen, ſobald die Schwalben das Neſt fertig haben, Beſiß davon, indem es ohne Umſtände hineinfrieht und fe> zum Eingangsloche herausgu>t, während die Schwalben weiter nichts gegen dieſen Gewaltſtreih thun können, als im Vereine mit mehreren ihrer Nachbarn unter ängſtlihem Geſchrei um das Neſt herumzuflattern und nah dem Eindringlinge zu ſ{nappen, jedo< ohne es zu wagen, ihn jemals wirkli< zu pa>en. Unter ſolhen Umſtänden währt es doh öfters einige Tage, ehe ſie es ganz aufgeben und den Sperling im ruhigen Beſitze laſſen, der es denn nun bald nach ſeiner Weiſe einrichtet, nämlich mit vielen weichen Stoffen warm ausfüttert, ſo daß allemal lange Fäden und Halme aus dem Eingangsloche hervorhängen und den vollſtändig vollzogenen Wechſel der Beſißer kundthun.

„Weil nun die Sperlinge ſo ſehr gern in ſolchen Neſtern wohnen, hindert deren Wegnahme die Shwalben ungemein oft in ihren Brutgeſchäſten, und das Pärchen, welches das Unglü> gar zweimal in einem Sommer trifft, wird dann ganz vom Brüten abgehalten. I< habe ſogar einmal geſehen, wie ſih ein altes Sperlingsmänncen in ein Neſt drängte, worin ſhon junge Schwalben ſaßen, über dieſe herfiel, einer nah der anderen den Kopf einbiß, ſie zum Neſte hinauswarf und nun Beſiß von dieſem nahm, wobei ſih denn der Übelthäter re<t aufblähte und hiernach gewöhnlich ſi beſtrebte, ſeine That durch ein lang anhaltendes lautes Schilken fkundzuthun. Auch Feldſperlinge niſten ſih, wenn ſie es haben können, gern in Shmwalbenneſter ein. Ein einfältiges Märchen iſ es übrigens, daß die Schwalben den Sperling aus Rache einmauern ſollen. Er möchte dies wohl niht abwarten.