Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Uferſhwalbe: Verbreitung. Neſtbau. Weſen. Stimme. 531

Scharen von ihr wie am mittleren und unteren Ob, woſelbſt ſie Siedelungen bildet, in denen mehrere Tauſend Paare von Brutvögeln hauſen. Auch bei uns zu Lande trifft man ſelten weniger als 5—10, gewöhnlih 20—40, ausnahmsweiſe aber 100 und mehr Paare als Beſiedler einer Erdwand an. Hier höhlt ſie ſi< in dem harten Erdreiche regelmäßig in einer Höhe, daß auch die bedeutendſte Überſhwemmung nicht hinaufreicht, gern aber unmittelbar unter der Oberkante der Wand, mit vieler Mühe und Anſtrengung tiefe Brutlöcher aus.

„Es grenzt“, ſagt Naumann, „ans Unglaubliche und muß unſere Bewunderung in hohem Grade exrregen, ein ſo zartes Vögelchen mit ſo ſhwachen Werkzeugen ein ſolches Rieſenwerk vollbringen zu ſehen, und noh dazu in ſo kurzer Zeit; denn in 2—3 Tagen vollendet ein Paar die Aushöhlung einer im Durhmeſſer vorn 4—6 cm weiten, am hinteren Ende zur Aufnahme des Neſtes noh mehr erweiterten, in wagerechter oder wenig aufſteigender Nichtung mindeſtens 1, oft aber auch bis 2 m tiefen, gerade in das Ufer eindringenden Röhre. Fhr Eifer und ihre Geſchäftigkeit bei einer ſolchen anſtrengenden Arbeit grenzt ans Poſſierliche, beſonders wenn man ſieht, wie ſie die losgearbeitete Erde höchſt mühſam mit den Füßchen hinter ſi<h aus dem Fnneren der Höhle hinausſchaffen und hinausräumen und beide Gatten ſi< dabei hilfreih unterſtüßen. Warum ſie aber öfters mitten in der Arbeit den Bau einer Röhre aufgeben, eine andere zwar fertig machen, aber dennoch niht darin niſten und dies vielleicht erſt in einer dritten thun, bleibt uns rätſelhaft; denn zu Schlafſtellen benußt die ganze Familie gewöhnlih nux eine, nämlich die, worin ſich das Neſt befindet. Beim Graben ſind ſie ſehr emſig, und die ganze Geſellſchaft ſcheint dann aus der Gegend verſ<hwunden; denn alle ſte>en in den Höhlen und arbeiten darin. Stampft man mit den Füßen oben auf den Raſen über den Höhlen, ſo ſtürzen ſie aus den Löchern hervor, und die Luſt iſt wieder belebt von ihnen. Wenn die Weibchen erſt brüten ſigen ſie noch viel feſter und laſſen fi< nur dur< Störung in der Röhre ſelbſt bewegen, herauszuſliegen, daher leiht fangen. Am hinteren Ende der Nöhre, ungefähr 1 m vom Eingange, befindet ſich das Neſt in einer ba>ofenförmigen Erweiterung. Es beſteht aus einer ſ{hlihten Lage feiner Hälmchen von Stroh, Heu und zarter Würzelchen, und ſeine Aushöhlung iſt mit Federn und Haaren, au<h wohl etwas Wolle ausgelegt, ſehx weih und warm. Jn Höhlen, die ſie in Steinbrüchen, an Felsgeſtaden oder alten Mauern finden, ſtehen die Neſter ſehr oft gar nicht tief, und ſie können hier auh nicht ſo dicht nebeneinander niſten, wenn niht zufällig Riben und Spalten genug da ſind. An ſolchen Brütepläßen hat dann freili<h manches ein ganz anderes Ausſehen, weil hier ein großer Teil ihres Kunſttriebes von Zufälligkeiten unterdrückt oder unnüß gemacht wird.“

Die UVferſchwalbe iſt ein ſehr angenehmer, munterer, beweglicher Vogel, der in ſeinem Weſen vielfa<h an die Hausſhwalbe erinnert. Dieſer ähnelt ſie namentlih wegen ihres ſanften und ſ<hwebenden Fluges. Gewöhnlich hält ſie ſih in niederen Luftſchichten auf, meiſt dicht über dem Spiegel der Gewäſſer hin- und herfliegend; ſelten erhebt ſie ſich zu bedeutenden Höhen. Fhr Flug iſt ſo ſ{<hwankend, daß man ihn mit dem eines Schmetterlings verglichen hat, aber durchaus niht unſicher oder wecſellos. Die Stimme iſ ein zartes, ſ<waches „Scherr“ oder „Zer1“, der Geſang eine Aufeinanderfolge dieſer Laute, die durch andere verbunden werden. Von ihren Anſiedelungen entfernt ſich die Uferſchwalbe ungern weit , betreibt ihre Jagd vielmehr meiſt in deren unmiltelbarer Nähe und belebt daher öde, ſonſt an Vögeln arme Ströme in anmutender Weiſe ebenſo, wie ihre Neſtlöcher in dem einförmigen Uſer jedes Auge feſſeln. Jn zahlreichen Siedelungen fliegen vom Morgen bis zum Abende faſt ununterbrochen Hunderte und ſelbſt Tauſende der kleinen, behenden Vögel auf und nieder, verſhwinden in den Höhlen, erſcheinen wiederum und treiben es wie zuvor. Vor dem Menſchen ſcheuen ſie ſich hierbei wenig oder niht; anderen Vögeln oder Tieren gegenüber zeigen ſie ſih friedli<h, aber furhtſam.

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