Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

549 Erſte Ordnung: Baumvögel; dreiundzwanzigſte Familie: Baumſteiger.

Etwa 300 Arten ſüd- und mittelamerikaniſher Vögel vereinigt man zur Familie der Baumſteiger (Anabatidae). Unter ihnen erinnern die Töpfervögel (Furnarins) an manche Droſſeln, können aber, wie Darwin bemerft, mit keinem europäiſchen Vogel verglichen werden. Der Schnabel iſt etwa kopflang oder etwas kürzer, mäßig ſtark, gerade oder ſanft gebogen, ſeitlich zuſammengedrü>t, der Fuß hochläufig und ſtarkzehig, mit kleinen, mäßig gekrümmten Krallen bewehrt, der Flügel mittellang und ſtumpf, in ihm die dritte Schwinge die längſte, die erſte merklich, die zweite wenig verkürzt, der Shwanz eher furz als lang und weihfederig. Die Gattung vertritt die erſte Unterfamilie der Baumſteiger, die der Töpfer (Furnariinae).

„Wenn man“, ſagt Burmeiſter, „die hohen Bergketten Braſiliens, die das waldreiche Küſtengebiet von den inneren Grasfluren der Campos trennt, überſchritten hat und nunmehr in das hügelige Thal des Rio dos Velhas hinabreitet, ſo trifft man überall an der Straße auf hohen, einzeln ſtehenden Bäumen neben den Wohnungen der Anſiedler große, melonenförmige Lehmklumpen , die auf wagere<hten, armdi>en Äſten ſtehen und mit regelmäßigen Wölbungen nah beiden Seiten und oben ſi<h ausbreiten. Der erſte Anbli> dieſer Lehmklumpen hat etwas höchſt Überraſchendes. Man hält ſie etwa für Termitenneſter, bevor man den offenen Zugang auf der einen Seite bemerkt hat. Aber die auffallend gleiche Form und Größe ſpricht doh dagegen; denn die Termitenneſter ſind ſehr ungleich geſtaltet und auh nie ſ{hwebend gebaut, ſondern vorſichtig in einem Aſtwinkel angelegt. Hat man alſo die regelmäßige Form dieſer Lehmklumpen einmal bemerkt, ſo iſt man au bald in der Lage, ihre Bedeutung zu ergründen. Man wird das große, eiförmige Fluglo< niht überſehen, auh, wenn man achtſam genug iſt, bi8weilen einen kleinen, rotgelben Vogel aus- und einſhlüpfen gewahren und daran leiht das wunderliche Gebäude als ein Vogelneſt erkennen. Das iſt es in der That und zwar das Neſt des Töpfervogels, den jeder Mineiro unter dem Namen Lehmhans, Jo Fo de Barro, kennt und mit beſonderen Gefühlen des Wohlwollens betrachtet.“

Der Töpfer- oder Ofenvogel, Hüttenbauer, Baumeiſter, Lehmhans 2c. (Furnarius rufus, Merops rufus, Turdus badinus, Figulus albogularis, Opetiorhynehus ruficaudus), iſt oberſeits roſtzimtbraunrot, auf Kopf und Mantel matter, auf den Schwingen braun, auf der Unterſeite lichter, auf der Kehlmitte reiner weiß gefärbt; vom Auge verläuft ein lebhaft roſtgelb gefärbter Streifen nah hinten; die Shwingen ſind grau, die Handſ<hwingen an ihrer Wurzel auf eine Stre>e hin blaßgelb geſäumt, die Steuerfedern roſtgelbrot. Das Auge iſt gelbbraun, der Schnabel braun, der Unterkiefer am Grunde weißlih, der Fuß braun. Die Länge beträgt 19 em, die Breite 27, die Fittichlänge 10, die Schwanzlänge 7 em.

Nach d’Oxbignys Angaben lebt der Töpfervogel ungefähr nah Art unſerer Droſſeln, ebenſowohl auf den Zweigen wie au<h an dem Boden. Jm Gezweige iſt er ſehr lebhaft und heiter, und namentli<h die wunderbare Stimme läßt er häufig ertönen. Man findet ihn immer paarweiſe und meiſt für ſih allein; doh kommt es vor, daß einer der beiden Gatten ſi<h au< einmal mit anderen Vögeln zeitweilig vereinigt, und dann kann es, wie d’Orbigny ſagt, nihts Erheiternderes geben als das vorſichtige Gebaren des Männhens, obglei<h es niht immer zu Thätlichkeiten kommt. Die Nahrung beſteht aus Kerbtieren und Sämereien, laut Burmeiſter nur aus erſteren, die vom Boden aufgenommen werden; denn an den Zweigen ſieht man den Töpfervogel nie nach ſolchen jagen und noh weniger fliegende Kerfe verfolgen. Auf dem Boden bewegt er ſich ſehr gewandt, indem er mit großen Sprüngen dahinhüpſt, der Flug dagegen iſt, den kurzen Flügeln entſprechend, nicht eben raſh und wird au< niemals weit ausgedehnt.