Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

542 Erſte Ordnung: Baumvögel; dreiundzwanzigſte Familie: Baumſteiger.

und das Flugloh ſtets nah Oſten hin anlege. „Daß lettere Angabe nicht richtig ſei“, bemerkt Burmeiſter, „fand ih bald ſelbſt und überzeugte davon au< mehrere Einwohner, Die 1< deshalb zu Rate zog; die Sage, daß der Vogel Sonntags nicht arbeiten ſoll, hat wohl ihren Grund in der Schnelligkeit, mit welcher er ſein ſ<hwieriges Werf vollendet. Hat er niht gerade am Sonntag begonnen, ſo iſt ex fertig, ehe der nächſte Feiertag herankommt.

„Das Neſt ſelbſt iſt für den kleinen Vogel wirkli<h ein ſtaunenswürdiges Werk. Die Stelle, wo er es anlegt, iſt gewöhnlih ein völlig wagerechter oder mitunter ſelbſt ſ{wa< anſteigender Teil eines 8 cm oder darüber ſtarken Baumzweiges. Sehr ſelten gewahrt man das Neſt an anderen Punkten, auf Dächern, hohen Balken, Kreuzen der Kirchen 2c. Beide Gatten bauen gemeinſchaftlih. Zuerſt legen ſie einen wagere<hten Grund aus dem in jedem Dorfe häufigen Lehm der Fahrwege, der nah den erſten Regengüſſen, die um die Zeit ihrer Brut ſich einſtellen, als Straßenkot zu entſtehen pflegt. Die Vögel bilden aus dieſem runde Klumpen, wie Flintenkugeln, und tragen ſie auf den Baum, hier mit den Shnäbeln und Füßen ſie ausbreitend. Gewöhnlich ſind auch zerfahrene Pflanzenteile mit eingefnetet. Hat die Grundlage eine Länge von 20—22 em erreicht, ſo baut das Paar an jedes ihrer Enden einen aufwärts ſtehenden, ſeitwärts ſanft nah außen geneigten Rand, der am Ende am höchſten (bis 5 cm hoch) iſt und gegen die Mitte der Seiten ſih erniedrigt, ſo daß die Ränder von beiden Enden her einen hohlen Bogen bilden. Fſt dieſer Rand fertig und gehörig getro>net, ſo wird darauf ein zweiter, ähnlicher geſeßt, der ſi< ſhon etwas mehr nach innen zu überbiegt. Auch dieſen läßt der Vogel zuvörderſt wieder tro>nen und baut ſpäter in derſelben Weiſe fort, beide Seiten zu einer Kuppel zuſammenſchließend. An der einen Langſeite bleibt eine runde Öffnung, die anfangs kreisförmig erſcheint, ſpäter aber dur< Anbauen von der einen Seite her zu einem ſenkrecht ſtehenden Halbkreiſe verlängert wird. Sie iſt das Fluglo<h. Nie habe ih dieſes anders als in ſolcher Form, in Geſtalt einer ſenkre<hten Öffnung von 7—10 cm Höhe und 5 cm mittlerer Breite geſehen. Die gleichlautende Angabe bei Azara iſt alſo kein Fehler des Überſebers, wie Thienemann vermutet; denn ih ſah nie ein fertiges Neſt mit Quermündung, wie genannter Forſcher ſie beſchreibt.

„Die Mündung liegt übrigens, wenn man gerade vor dem Neſte ſteht, beſtändig auf der linken Hälfte der vorderen Fläche; die rete iſt geſchloſſen. Der innere Rand der Mündung iſt alſo gerade und ſenkre<ht geſtellt, der äußere erſcheint bogenförmig ausgebuctet. Das fertige Neſt gleicht einem kleinen Backofen, pflegt 15—18 cm hoh, 20—22 em lang und 10—12 em tief zu ſein. Seine Lehmwand hat eine Stärke von 2,5—4 em, die innere Höhle umfaßt alſo einen Raum von 10—12 cm Höhe, 12—15 em Länge und 7—10 em Breite. Ein der Vollendung nahes Neſt, das ih mitnahm, wiegt 4,5 ke. Jn dieſer Höhle erſt baut der Vogel das eigentliche Neſt, indem er an dem geraden Rande der Mündung ſenkre<t nach innen jeßt eine halbe Scheidewand einſeßt, von welcher eine kleine Sohle quer über den Boden des Neſtes fortgeht. Das iſt der Brutraum, der forgfältig mit herumgelegten troŒenen Grashalmen und nah innen mit eingeflohtenen Hühnerfedern, Baumwollbüſcheln 2c. ausgekleidet wird. Dann iſ die Wohnung des Lehmhanſes fertig. Der Vogel legt ſeine 2—4 weißen Eier hinein, und beide Gatten bebrüten ſie und füttern ihre Jungen. Der erſte Bau wird Ende Auguſt ausgeführt; die Brut fällt in den Anfang des September. Eine zweite Brut wiederholt ſih ſpäter im Fahre.“

Azara hielt einen alten Töpfervogel ungefähr einen Monat lang gefangen und ernährte ihn mit gekochtem Reis und rohem Fleiſch. Das lebtere zog er vor. Wenn der Biſſen zum Verſchlingen zu groß war, faßte er ihn mit den Füßen und riß fih mit dem Schnabel kleinere Biſſen ab. Wollte ex dann gehen, ſo ſtüßte er ſih kräftig auf einen Fuß, erhob den anderen, hielt ihn einen Augenbli> gerade vorgeſtre>t und ſeßte ihn dann vor