Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

558 Erſte Ordnung: Baumvögel; fünfundzwanzigſte Familie: Shmu>vögel,

Die Glockenvögel ſind in Südamerika heimiſ<h. Der Schmied bewohnt Braſilien und iſt hier in den Waldungen ſehr häufig; der Glöner iſt in Guayana, die Araponga im nördlichen Südamerika, der Hämmerling in Coſtarica heimiſh. Aus den bisher bekannt gewordenen Mitteilungen der reiſenden Forſcher ſcheint hervorzugehen, daß ſich die Lebensweiſe dieſer Vögel im weſentlichen ähnelt. Allerdings haben wir bis jebt, dank den Forſchungen Watertons, des Prinzen von Wied und Shomburgks, nur über Betragen und Sitten des Schmiedes und des Glö>ners ausführlichere Berichte erhalten; ſie aber ſtimmen ſo vollkommen überein, daß wir die eben ausgeſprohene Anſicht wohl hegen dürfen.

„Dieſer merkwürdige Vogel“, ſagt der Prinz von Wied vom Glo>envogel, „iſt ſowohl dur ſein blendendweißes Gefieder ſowie dur ſeine laute, hell klingende Stimme eine Eigenheit der prathtvollen braſiliſhen Waldungen und fällt dem Fremdlinge gewöhnlich ſoglei< und zuerſt auf. Er iſt überall verbreitet, wo Urwaldungen ſind, in deren dunkelſten Verflehtungen er ſih am meiſten zu gefallen ſcheint. Doch kommt er nicht überall in gleicher Häufigkeit vor, ſcheint vielmehr gebirgigen Urwald beſonders zu lieben. Seine Stimme ähnelt dem Tone einer hell ingenden Glode, wird einzeln ausgeſtoßen, eine Zeitlang ausgehalten und au öfters kurz hintereinander wiederholt. Dann gleicht ſie den Lauten, die der Schmied hervorbringt, wenn er mit dem Hammer wiederholt auf den Amboß ſ{hlägt. Man vernimmt dieſe Stimme zu allen Stunden des Tages ſehr häufig und auf weithin. Gewöhnlih halten ſi< mehrere der Vögel in einer paſſenden Gegend auf und reizen ſich wechſelſeitig. Der eine ſchallt laut und hell mit einem einfahen Tone; der andere läßt das oft wiederholte, Élingende Getön hören, und ſo entſteht an Stellen, wo viele dieſer Vögel vereinigt ſind, ein höchſt ſonderbares Konzert. Gewöhnlich wählt der Schmied ſeinen Stand auf einem der oberen dürren Äſte eines gewaltigen Waldſtammes und läßt von dort oben ſeine flingende, metalliſhe Stimme erſchallen. Man ſieht alsdann den blendendweißen Vogel gegen den dunkelblauen Himmel gemalt, kann ihn aber von jener Höhe nicht herabſchießen. Auch fliegt er gewöhnlich ſogleich ab, ſobald er etwas Fremdartiges bemerkt. An Stellen, wo der Wald niedriger iſt, ſigen dieſe Vögel in einer dihten, dunkeln Laubmaſſe, wo man ihre Stimme vernimmt, ohne das ſchneeweiße Ziel erſpähen zu können.“

„Znmitten der ausgedehnten Wildniſſe“/, ſchildert Waterton, „gewöhnlih auf dem dürren Aſte einer alten Mora und faſt immer außer aller Shußhöhe wird man den Glökner bemerken. Kein Laut oder Geſang von irgend einem geflügelten Bewohner der Wälder, niht einmal das deutlih ausgeſprohene ,Whip-poor-will“ des Ziegenmelkers kann ſo in Erſtaunen ſeßen wie das Geläute des Glökners. Wie ſo viele der gefiederten Klaſſe, bezahlt er dem Morgen und dem Abend durch Geſang ſeinen Zoll; aber au<h wenn die Mittagsſonne Stillſchweigen geboten und den Mund der belebten Natur geſchloſſen, ruft er noh ſein heiteres Getön in den Wald hinaus. Man hört das Geläute, dann tritt eine minutenlange Pauſe ein, hierauf folgt wieder ein Glo>enſhlag und wiederum eine Pauſe, und #o wechſelt es zum dritten Male ab. Dann ſchweigt er 6 oder 8 Minuten lang, und hierauf beginnt er von neuem. Aktäon würde ſeine eifrigſte Jagd unterbrehen, Maria ihr Abendlied verzögern, Orpheus ſelbſt ſeinen Geſang aufgeben, um dieſen Vogel zu belauſchen, ſo ſüß, ſo neu, ſo romantiſch iſt der Klang ſeiner Stimme.“

„Zh vernahm“, ſagt Shomburgk, wohl Waterton benußend, „aus dem nahen Walde wunderbare Töne, wie ih ſie no< nie gehört. Es war, als {lüge man zugleih an mehrere harmoniſch geſtimmte Glasglo>en. Febt hörte ih ſie wieder und nach einer minutenlangen Pauſe wieder und wieder. Dann trat ein etwas längerer Zwiſchenraum von etwa 6—8 Minuten ein, und von neuem erſchallten die vollen harmoniſhen Töne. Eine ganze Zeit ſtand ih vor Erſtaunen gefeſſelt und lauſchte, ob ſih die fabelhaften Klänge nicht abermals hören laſſen würden: ſie ſ{hwiegen, und voller Begierde wandte ih mi<h mit