Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

56 Erſte Drdnung: Baumvögel; neununddreißigſte Familie: Eisvö gel.

anſtrengen, ehe ihm eine Beute wird. Die Art und Weiſe ſeines Fanges erfordert Umſicht in der Wahl ſeiner Pläße; denn das Waſſer, in welchem er fiſcht, darf nicht zu ſeit ſein, weil er ſih ſonſt leiht durch die Heftigkeit ſeines Stoßes beſchädigen könnte, darf aber auh nit zu tief ſein, weil er ſonſt ſeine Beute oft fehlt. „Bei Hirſchberg an der oberen Saale“, ſchreibt mir Liebe, „halten ſih die Eisvögel gern auf, wenn ſie dort auch wenig günſtige Brutgelegenheit haben. Die Saale iſ vielfah von ſteilen, hohen Felswänden eingefaßt, die einen Fußpfad am Ufer entlang unmöglih machen. Sie fließt raſh und breit über eine Menge Steine und zwiſchen Felsblö>en hindur< und iſ gerade hier ſehr reih an kleinen Fiſchen. Dort halten die Vögel ſtatt auf einem Aſte von einem Steine aus thre lauernde Rundſchau, und auf gewiſſen Steinen kann man immer Gewölle finden, Hier habe ih auch geſehen, daß ſie ſehr gern Krebſe verzehren. Obgleich kleine Fiſche, wie bemerkt, in Menge vorhanden ſind, holen die Eisvögel doh oft kleine Krebſe heraus, tragen fie auf den Felsblo> und machen ſie daſelbſt zum Verſchlingen zurecht, indem ſie ſie öfter hart gegen den Stein ſtoßen, niht aber mit einer Seitenbewegung des Kopfes gegen dieſen ſhlagen. Die Krebſe ſcheinen hier ſo zur Lieblingsnahrung geworden zu ſein, daß die Gewölle oft nur aus deren Überreſten beſtehen.“ Anhaltender Regen, der das Gewäſſer trübt, bringt dem Eisvogel Not, ja ſelbſt den Untergang, und ebenſo wird ihm der Winter niht ſelten zum Verderben; denn ſeine Jagd endet, ſobald er die Fiſche nicht mehr ſehen kann. Jm Winter muß er ſi mit den wenigen offenen Stellen begnügen, welche die Cisde>e eines Gewäſſers enthält; aber er iſt dann dem Ungemach ausgeſeßt, unter das Eis zu geraten und die Öffnung nicht wieder zu finden. Auf dieſe Weiſe verliert mancher Eisvogel ſein Leben. Zuweilen wird ihm auth ein glüdlicher Fang verderblih: er verſucht, einen zu großen Fiſch hinabzuwürgen und erſtit dabei. Fiſchgräten, Shuppen und andere harte Teile ſeiner Nahrung ſpeit er in Gewöllen wieder von ſich.

Während der Paarungszeit gebärdet ſi< auch der Eisvogel ſehr erregt. Er läßt dann ſeine Stimme, ein hohes, ſhneidendes, oft und ſchnell wiederholtes „Tit tit“ oder „Si ſi“, das man ſonſt ſelten, meiſt nux von dem erzürnten Vogel vernimmt, häufig ertönen und fügt den gewöhnlichen Lauten no< beſondere zu, beträgt ſi<h auh in ganz eigentümlicher Weiſe. „Das Männchen“, ſagt mein Vater, „ſeßt ſi<h dann auf einen Strauch oder Baum, oft ſehr hoh, und ſtößt einen ſtarken, pfeifenden, von dem gewöhnlichen Rufe verſchiedenen Ton aus. Auf dieſen kommt das Weibchen herbei, ne> das Männchen und fliegt weiter. Das Männchen verfolgt es, ſeßt ſih auf einen anderen Baum und ſ{hreit von neuem, bis das Weibchen ſi< abermals nähert. Bei dieſem Jagen, das ih nur des Vormittags bemerkt habe, entfernen ſih beide 200 —300 Schritt vom Waſſer und ſizen mit hoh aufgerihtetem Körper auf den Feldbäumen, was ſie ſonſt nie thun.“

Das Brutgeſchäft des Eisvogels iſt erſt dur die Beobachtungen Leislers und meines Vaters bekannt geworden; Bechſtein war hierüber noh niht unterrihtet. „Sobald ſich der Eisvogel zu Ende März oder im Anfange des April gepaart hat“, fährt mein Vater fort, „Jucht er ſih einen Plaß für das Neſt aus. Dieſer iſt allemal ein tro>enes, \{hroffes, vom Graſe ganz entblößtes Ufer, an welchem keine Waſſerratte, kein Wieſel und kein anderes Raubtier hinaufklettern kann. Jn dieſes, einer ſenkrehten Wand ähnelnde Ufer haden die Eisvögel 30—60 cm vom oberen Rande ein rundes Loth, das gewöhnlih 5 em im Durchmeſſer hat, 0,5—1 m tief iſt, etwas aufwärts ſteigt und am Ausgange unten zwei Furchen zeigt. Am hinteren Ende erweitert ſih dieſes Loh zu einer rundlichen, ba>ofenähnlichen Höhle, die 8—10 em in der Höhe und 10—13 cm in dex Breite hat. Dieſe Höhlung iſt unten mit Fiſchgräten ausgelegt, wie gepflaſtert, wenig vertieft, troŒen und oben glatt wie an ihrem Ausgange. Auf den Fiſchgräten liegen die 6—7 ſehr großen, faſt rundlichen, glänzend weißen, wegen des dur<hſhimmernden Dotters rotgelb ausſehenden