Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

EiSvogel: Nahrung. Stimme. Fortpflanzung. DT

Eier. Sie ſind die ſchönſten unter allen, welche ih kenne, von einer Glätte, von einem Glanze und, ausgeblaſen, von einer Weiße wie die ſchönſte Emaille. An Größe kommen ſie faſt einem Singdroſſel-Ei gleih, ſo daß es mir unbegreiflih iſt, wie ſie der Eisvogel mit ſeinen kurzen und harten Federn alle bede>en und erwärmen kann.

„Wenn der Eisvogel beim Ausha>en des Loches, wozu er 2—3 Wochen braucht, auf Steine trifft, ſucht er ſie herauszuarbeiten. Gelingt dies niht, ſo läßt er ſie ſtehen und arbeitet um ſie herum, ſo daß ſie zuweilen halb in die Röhre vorragen. Der Steinchen wegen iſt der Eingang zum Neſte oft krumm. Häufen ſie ſi<h aber zu ſehr, ſo verläßt der Vogel die Stelle und hakt ſih niht weit davon ein anderes Loh. Fn Hinſicht des Neſtbaues zeigt ſi< der Eisvogel ganz als Specht, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſer in mor[hen Bäumen, jener aber in der tro>œenen Erde ſein Neſt anbringt. Ein ſolches Loch bewohnt der Eisvogel mehrere Jahre, wenn er ungeſtört bleibt; wird aber der Eingang zum Neſte erweitert, ſo legt er nie wieder ſeine Eier hinein. Daß ein Neſt mehrmals gebraucht iſt, ertennt man leiht an einer Menge von Libellenköpfen und Libellenflügeln, die unter die Gräten gemiſ<t ſind, und an einer ungewöhnlichen Menge von Fiſchgräten, die in einem friſchen Neſte weit ſparſamer liegen und, ſolange die Jungen no< niht ausgekrochen, mit Libellenüberbleibſeln niht vermengt ſind. Um zu erfahren, ob ein Eisvogelloch, das von den Höhlen der Waſſerratte und anderer Säugetiere auf den erſten Blik zu unterſcheiden iſt, bewohnt ſei oder niht, brauht man nur hineinzuriehen: nimmt man einen Fiſchgeru< wahr, ſo kann man feſt überzeugt ſein, daß man ein friſches Neſt vor ſi hat.

„Mertwürdig iſt es, wie feſt ein brütender Eisvogel auf ſeinen Eiern oder ſeinen na>ten Jungen ſit. Man kann am Ufer pochen, wie man will, er kommt nicht heraus; ja, er bleibt no< ruhig, wenn man anfängt, das Loch zu erweitern, und verläßt ſeine Brut erſt donn, wenn man ihm ganz nahe auf den Leib kommt. J< fand die Eier in der Mitte des Mai und zu Anfang des Juni. Das Männchen hat ziemlih fern, 100—300 Schritt von dem Neſte, ſeinen Ruheplatz, auf welchem es die Nacht und auch einen Teil des Tages zubringt.“

Naumann gibt an, daß man in einzelnen Neſtern bis 11 Eier findet, und berichtet noch einiges über das Jugendleben der Vögel. „Das Weibchen“, ſagt er, „brütet allein, und das Männchen bringt ihm, während jenes faſt unausgeſeßt 14—16 Tage lang über den Eiern ſizt, niht nur Fiſche zur Nahrung, ſondern trägt au< beiläufig deſſen Unrat aus dem Neſte weg, was beide Gatten nachher auh mit dem der Jungen thun. Die unlängſt aus den Eiern geſchlüpften Fungen ſind häßliche Geſchöpfe. Sie ſind ganz na>t, mehrere Tage blind und von ſo ungleicher Größe, daß ih ſogenannte Neſlküchlein gefunden habe, die kaum halb ſo groß wie die anderen waren. Jhr Kopf iſt groß, der Schnabel aber noh ſehr furz und der Unterſhnabel meiſtens zwei Linien länger als der Oberſchnabel. Sie ſind höchſt unbehilflih, zittern öfters mit den Köpfen, ſperren zuweilen den weiten Rachen auf, wiſpern leiſe, wenn ſie hungrig ſind oder wenn ſie gefüttert werden, und friehen durcheinander wie Gewürme. Zu dieſer Zeit werden ſie von den Alten mit Kerbtierlarven und vorzüglih mit Libellen, denen dieſe zuvor Kopf und Flügel abſtoßen, gefüttert. Später bekommen ſie au kleine Fiſche, und wenn ihnen na<h und nach die Federn wachſen, ſo ſcheinen ſie überall mit blauſhwarzen Stacheln bekleidet zu ſein, weil die Federn in ſehr langen Seiden ſte>en und dieſe niht ſo bald aufplazen. Sie ſißen überhaupt lange im Neſte, ehe ſie zum Ausfliegen fähig werden, und ihre Ernährung verurſacht den Alten viel Mühe, weshalb ſie ſi< denn auch in dieſer Zeit ungemein lebhaft und thätig geigen. Die ausgeflogenen Fungen werden in die ruhigſten Winkel der Ufer, beſonders in Geſträuh, Flehtwerk oder zwiſchen die ausgewaſchenen Wurzeln am Ufer ſtehender Bäume geführt, ſo daß ein kleiner Umkreis die ganze Familie beherbergt, jeder einzelne alſo