Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

58 Erſte Ordnung: Baumvögel; neununddreißigſte Familie: EisSvögel.

unweit des anderen einen ſolchen Siß hat, wo er wenigſtens von der Uferſeite her niht ſo leiht geſehen werden kann. Die Alten verraten ſie, wenn man ſi< zufällig naht, dur ängſtliches Hin- und Herfliegen in kurzen Räumen und durch kläglihes Schreien, während die Jungen ſih ganz ſtill und ruhig verhalten. Stößt man ſie aus ihrem Schlupfwinkel, ſo flattert das eine da-, das andere dorthin, und die Alten folgen bald dieſem, bald jenem unter Éläglichem Schreien. Es währt lange, ehe ſie ſi< die Fiſche fangen lernen.“

Wie zärtlich die Alten ihre Brut lieben, geht aus einer Beobachtung Naumanns hervox. Er ging ernſtlih darauf aus, ein Neſt mit Jungen aufzuſuchen, begab ſich deshalb an eine Stelle, wo ex ein ſolches wußte, überzeugte ſih dur< den Geru< von der Anweſenheit der Jungen und begann nun, am Aufbrechen der Höhle zu arbeiten. „F< war nicht allein, und wir hatten niht nur viel geſprochen, ſondern auh tüchtig mit den Füßen oben über dem Neſte auf den Raſen geſtampft. Jh erſtaunte daher nicht wenig, als ih mit einer dünnen Rute im Lohe ſtörte und mir der alte Eisvogel, der nunmehr die Jungen verließ, beinahe ins Geſicht flog. Der Untergang der Familie war einmal be\{loſſen, und ſo ſollte denn auch ein Alter mit daraufgehen; da wir aber heute kein paſſendes Werkzeug zur Hand hatten, ſo wurde dies auf morgen verſchoben und der Eingang mit Schlingen beſtellt. Alle dieſe gewaltſamen Störungen hatten niht vermocht, die unglüliche Mutter abzuhalten, einen Verſu<h zu wagen, zu ihren geliebten Kindern zu kommen, und ſie hing am anderen Morgen tot in der Schlinge vor ihrem Neſte, während das Männchen, als wir nun die Jungen ausgruben, mehrmals ſchreiend diht an uns vorbeiflog.“

Die ſeit der Veröffentlihung der Mitteilungen meines Vaters und Naumanns geſammelten Beobachtungen haben ergeben, daß die Brutzeit des Eisvogels ſih niht auf die - genannten Monate beſchränkt. So erhielt Ad. Walter einmal ſhon am 6. April, ein anderes Mal in der Mitte dieſes Monats vollzählige Gelege. Ebenſo können verſchiedene Umſtände das Fortpflanzungsgeſchäft verzögern. Wenn das Frühjahr ſpät eintritt, wenn die Flüſſe oder Bäche längere Zeit Hochwaſſer haben, wenn die Brut geraubt oder die Neſthöhle zerſtört wurde 2c., muß der Cisvogel beſſere Zeiten abwarten, und ſo fann es geſchehen, daß man noh im September unerwahſene Junge in den Neſthöhlen findet. Nach den eingehenden Beobachtungen Kutters, der binnen drei Fahren niht weniger als 30 faſt durchgängig beſeßte Bruthöhlen unterſuchen konnte, iſt legteres nur dann der Fall, wenn die erſte Brut vernichtet wurde. Denn ungeſtört brütet der Eisvogel bloß einmal im Jahre. Die Wahrheit dieſer Angabe konnte Kutter überzeugend beweiſen, da er die Eisvögel, die er auf dem Neſte fing, mittels eingefeilter Striche am Schnabel zeihnete und ſomit ſpäterhin wiedererkannte. Aus ſeinen ſorgſam niedergeſhriebenen Beobachtungen nun geht Nachſtehendes hervor: Die Brutröhre wird ſtets in einer ſenkre<ht abfallenden oder überhängenden glatten Uferwand eingegraben; doh braucht die Wand niht immer unmittelbar vom Waſſer beſpült zu werden. Die Höhe, in welcher die Röhre über dem Waſſerſpiegel angebraht wird, ändert mit der jeder Uferwand ab und wird bloß an ſolchen Stellen ſo nahe, wie oben angegeben, unter dem Uferrande angelegt, wo dies die Beſchaffenheit des Brutplates erfordert. An hohen Wänden findet man ſie ebenſo häufig in der Mitte der Wand oder etwas darunter. Erſt mit Beginn des Eierlegens fängt der Vogel an, die Höhlung mit den als Gewölle ausgeſpieenen Gräten und Schuppen der verzehrten Fiſche auszupolſtern. Fertige, neu gearbeitete Keſſel ohne Eier enthalten niht eine Spur Dieſer Niſtſtoffe, die im Verlaufe des Eierlegens und Brütens allmählih angeſammelt werden Und <ließlih eine ſehr gleichmäßig verteilte, faſt centimeterhohe Schicht bilden. Die bebrüteten Eier findet man niemals auf bloßer Erde, ſondern ſtets auf beſagten Niſtſtoffen, die als ſchle<te Wärmeleiter die Eier vor ſchädlicher Abkühlung ſ{<hüßen. Die durſ<hnittliche Anzahl der Eier aller von Kutter gefundenen vollen Gelege betrug 7, niemals mehr, in