Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

EiSvogel: Anlegung der Brutröhre. Feinde. 59

ſeltenen Fällen weniger. Siedelartiges Beiſammenſein verſchiedener Eisvögel hat Kutter nie beobachtet. Wo mehrere Brutröhren in unmittelbarer Nachbarſchaft angebracht ſind, iſt ſtets nur eine wirklich beſeßt, und die geringſte Entfernung zwiſchen zwei bewohnten Röhren beträgt etwa 50 Schritt. Das Ausgraben der Röhre wird, eine ſo ungeheure Arbeit für den kleinen Vogel es zu ſein ſcheint, in verhältnismäßig kurzer Zeit vollendet. Fn einzelnen Fällen konnte Kutter nahweiſen, daß ein Zeitraum von kaum einer Woche dazu genügte. Ein ſo eifriges Ha>en und Graben zum Teil in rauhem Kiesſande greift den Schnabel merkli< an; insbeſondere der Oberſchnabel, auf welchem die Laſt der Arbeit ruht, zeigt ſih nicht ſelten um einen halben Centimeter verkürzt.

Zur weiteren Vervollſtändigung des Geſagten mag eine Mitteilung, die ih der Freundlihfeit Liebes verdanke, hier Play finden. „Eisvögel haben einige Fahre hintereinander in der Lehmwand eines Erdfalles geniſtet und dort mir treffliche Gelegenheit zum Beobaten gegeben. Dieſer Erdfall, ein Waſſerloch mit tiefem, faltem Waſſer, das keine Fiſche und nur wenige Kerbtiere beherbergt, liegt, von etwas Gebüſch umgeben, in größter Nähe eines ſehr beſuchten Spazierganges und gegen 1000 Schritt von der Elſter entfernt, die hier allerdings von dihtem Gebüſche eingefaßt und ziemlih einſam iſt. Die Vögel mußten 1000 Sritt weit über Wieſen und Felder fliegen, um ihren Fungen Nahrung zu holen, und wurden oft dur< Vorübergehende und Feldarbeiter geſtört. Dennoch ſuchten ſie jene Lehmwand öfter wieder auf, um dort zu \{hlafen und zu niſten. Es glü>te mir einmal, ein Weibchen zu belauſchen, welches das Loch einer ausgefaulten Baumwurzel zur Wohnſtätte erkieſt hatte. Jh hörte beſtändig kleine Gegenſtände in das Waſſer fallen und entde>te endlich, daß es Erdflüumpchen waren, die in immer größerer Anzahl aus jenem engen Loche herabfielen. Zulezt kam ſ{harrend und unter ſchwer zu erkennenden, wunderlichen Bewegungen der Vogel rü>wärts heraus und beförderte dabei eine ganze Menge Erde in das Waſſer. Sobald ex mich erbli>t hatte, ſtrich er ab, war aber nah einer Viertelſtunde wieder in der Röhre und kro<h in derſelben Weiſe rückwärts heraus. Später, als wohl der Zugang hinlänglih erweitert und hinten der kleine Keſſel ausgeweitet war, habe ih die Tiere nie anders als mit dem Kopfe voran herauskommen ſehen.“

Es iſt nicht bekannt, daß irgend ein Raubtier dem Eisvogel nachſtellt. Der erwachſene entgeht dur ſeine Lebensweiſe vielen Verfolgungen, denen andere Vögel aus8geſeßt ſind, und die Neſthöhle iſt in ſeltenen Fällen ſo angelegt, daß ein Wieſel oder eine Waſſerratte zu ihr gelangen kann. Auch der Menſch behelligt unſere Fiſcher im ganzen wenig, nicht etwa aus Gutmütigkeit oder Tierfreundlichkeit, ſondern weil ſih der ſcheue Geſell vor jedermann in aht nimmt und ſeine Jagd den Sonntagsſhüßen zu ſ{hwer fällt. Der Kundige, ‘der ſeine Gewohnheiten kennt, erlegt ihn ohne ſonderlihe Mühe und weiß ſih au< des lebenden Vogels zu bemächtigen. Nicht immer gelingt es, das ſ{höne Geſchöpf an die Gefangenſchaſt zu gewöhnen. Jung aus dem Neſte genommene Eisvögel laſſen ſih mit Fleiſch und Fiſchen groß füttern und dann auch längere Zeit am Leben erhalten; alt eingefangene ſind ungeſtüm und ängſtlich, verſhmähen oft das Futter und flattern ſi<h bald zu Tode. Doh fehlt es auch bei ihnen niht an Ausnahmen. Mir wenigſtens iſt es mehr als einmal gelungen, alt. eingefangene Vögel einzugewöhnen und lange Zeit am Leben zu erhalten. Fa, ih habe ſie immer nur dur< Unglücksfälle verloren. Ohne alle Umſtände gehen alte Eisvögel an das Futter, wenn man ſie gleichzeitig mit den Jungen einfängt. Aus Liebe zu dieſen vergeſſen ſie den Verluſt der Freiheit, fiſchen von der erſten Stunde an eifrig und gewöhnen ſi< und ihre Jungen an den Käfig und die ihnen gereihte Koſt. An ſolchen gefangenen nimmt man mit Erſtaunen wahr, wie gefräßig ſie ſind. Hat man ſie endlich gezähmt und kann man ihnen einen paſſenden Aufenthalt gewähren, ſo ſind ſie wirklich reizend. Fm Tiergarten zu London ſind für die Königsfiſher und andere Waſſervögel