Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

60) Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Negenpfeifer.

Jn Deutſchland wird dem Kiebiße niht beſonders nachgeſtellt, weil ſein Fleiſh mit Necht für unſhma>haft gilt; die Südeuropäer teilen dieſe Anſicht nicht und verfolgen die Wintergäſte ebenſo eifrig, als ob ſie Schnepfen wären. Hier und da ſtellt man übrigens doh einen Kiebißherd, und wenn man es geſchi>t anzufangen weiß, erlangt man auf ſolchem reiche Beute. Die Eier ſind auh bei uns hochgeſchäßt.

Gefangene Kiebiße ſind unterhaltend, und namentlich diejenigen, welche jung erlangt wurden, lernen es ſehr bald, ſih in die veränderten Verhältniſſe zu fügen, werden zahm und zutraulich gegen den Pfleger, nehmen dieſem das Futter aus der Hand, folgen ihm auch wohl eine Stre>e weit nach, befreunden ſich ſogar mit Hunden und Kaßen und maßen ſich über andere Strandvögel die Oberherrſchaft an. Wenn man ihnen anfänglich zerſtüelte Negenwürmer vorwirft, gewöhnen ſie ſih auch leiht an ein Erſabfutter, Milchſemmel nämlih, und halten bei dieſer Nahrung jahrelang aus, falls man die Vorſicht braucht, ſie mit Einbruch kühler Witterung in einem geſhüßten Naume unterzubringen.

In den ſüdruſſiſhen und aſiatiſchen Steppen lebt der Steppenktiebiß (Vanellus gregarius, Chettusia gregaria, Charadrius gregarius, ventralis, wagleri, keptuschka und pallidns, Tringa fasciata und keptuschka). Seitel, Zügel und Unterbruſt ſind pehſhwarz, Stirn, ein bis zum Na>ken reichender Brauenſtreifen, Kinn, Weichengegend und Unterſhwanzde>geſieder weiß, Halsſeiten und Kehle roſtgelb Mantel, Kropf und Oberbruſt bräunlich aſchgrau, leßtere allmählich bis zum Pe<hſhwarz dunkelnd, Unterbruſtz und Bauchmitte roſtrot, die Handſchwingen und deren äußerſte Oberde>federn glänzend ſchwarz, die Armſchwingen und ihre größeren De>federn weiß, die hinterſten wie die Schulter: und kleinen Dberflügelde>federn bräunlih aſchgrau, die beiden äußeren Schwanzfedernpaare weiß, die mittleren vor dem Ende mit breiter ſ<hwarzer Binde geziert. Das Weibchen unterſcheidet ſich niht dur< die Färbung; beim jungen Vogel iſt das ganze Gefieder trüber und düſterer. Das Auge iſt kaffeebraun, der Schnabel ſ{<hwarzbraun, der Fuß ſhwarz. Die Länge beträgt 32, die Breite 68, die Fittichlänge 20, die Schwanzlänge 8 cm.

Von ſeiner Heimat aus wandert der Steppenkiebig allherbſtli<h nah Jndien und Nordoſtaſrika, durchſtreiſt auh wohl Südeuropa, iſt aber, ſoviel mir bekannt, no< nicht in Deutſchland exlegt oder beobachtet worden. Wix fanden ihn in der Kirgiſenſteppe von Semipalatinsk an bis in die Mongolei, an einzelnen Stellen re<t häufig, in den erſten Maitagen no< zu Flügen von 12—20 geſchart, wenige Tage ſpäter aber paarweiſe, jedo< immer noh in lo>erem Verbande mit anderen ſeiner Art. Obwohl dem Anſchein nach in der Nähe der Steppenſeen häufiger als auf den waſſerloſen Ebenen auftretend, meidet er doch die leßteren niht und unterſcheidet ſi<h {hon dadur<, noh mehr aber dur ſein Auftreten, von unſerem Kiebiße. Fm Sigen hält er ſi<h unbeweglich, ohne ſi in der dem Kiebige und vielen Regenpfeifern ähnlichen Weiſe zu ſchaukeln oder zu wiegen; im Fluge gaukelt er nie, nicht einmal, wenn er Junge führt, ſteigt daher auch ſelten zu höheren Luſtſchichten auf, ſondern ſtreicht raſchen Fluges, nah Art eines Regenpfeifers, in geringer Höhe über dem Boden weg und läßt ſih bald wieder nieder. Er iſt vorſichtig, in der menſchenarmen Steppe jedoch weniger ſcheu als der Kiebißg, hält aber troßdem niht immer \hußgere<ht aus. Geht man auf ihn zu, ſo benimmt er ſi< faſt wie der Wüſtenläufer, rihtet ſih zuerſt auf, um den Ankömmling genau ins Auge zu faſſen, und läuft dann geraume Zeit vor ihm her, meiſt ebenſo ſhnell, wie ein raſh und weit ausſchreitender Mann gehen fann, bleibt von Zeit zu Zeit auf Augenbli>e ſtehen, eilt weiter, entſchließt ſih endlih, zu fliegen, lüftet die Schwingen, ohne ſie hoch zu erheben, und fliegt unter ziemli<h raſchen Flügelſchlägen, das ſonſt faſt verde>te Weiß ſeiner Schwingen jeßt zu voller Geltung

bringend, lautlos davon. Feſſeln ihn bedrohte Junge, ſo fällt er, nahdem er wenige